Berlin. Justizminister Marco Buschmann will Familien mehr Flexibilität geben – und Kinder mitreden lassen. Auch beim Sorge- und Umgangsrecht.
Getrennte Eltern, neue Partner, und Opa, die beste Freundin oder die Tante passen regelmäßig auf: Der Alltag von Familien in Deutschland hat viele Formen. Doch das dazugehörige Recht bildet diese oft nur unzureichend ab. Das soll sich ändern – so zumindest sieht es ein großes Reformpaket aus dem Haus von Justizminister Marco Buschmann (FDP) vor.
Eckpunkte für eine Neuordnung des Bereichs Sorgerecht, die am Dienstag veröffentlicht wurden, skizzieren, wie das Recht der Realität in Zukunft näher kommen soll. Geplant ist unter anderem die Ausweitung des „kleinen Sorgerechts“. Das existiert bereits jetzt für Ehepartner von Eltern, die das alleinige Sorgerecht haben, und regelt, dass der Stiefelternteil im Alltag Entscheidungen für das Kind treffen kann. Diese Rolle sollen künftig mehr Menschen ausfüllen dürfen.
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Nach einer schriftlichen Vereinbarung mit den voll Sorgeberechtigten – im Regelfall die Eltern – könnten dann auch weitere Personen wie nicht-verheiratete Partner der Eltern, Großeltern oder andere Alltagsangelegenheiten regeln. „Damit können die neuen Partner zum Beispiel eine Entschuldigung für die Schule schreiben, wenn das Kind krank ist, oder erlauben, dass es an einem Ausflug teilnimmt“, heißt es in den Eckpunkten. Das uneingeschränkte Sorgerecht bleibt wie bisher bei den Elternteilen eines Kindes, und im Konfliktfall kann die Vereinbarung schriftlich wieder aufgelöst werden. Auf ähnliche Art sollen die Eltern künftig auch Umgangsrechte mit Dritten vereinbaren können.
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Sorgerecht und Umgangsrecht: Kinder sollen mitreden können
Das Justizministerium will auch die Möglichkeiten von Kindern stärken, bei Fragen des Umgangs- und Sorgerechts, die sie betreffen, mitzureden. Sie sollen demnach ein eigenes Recht auf Umgang mit ihren Großeltern und Geschwistern, mit anderen Bezugspersonen und mit leiblichen, aber nicht rechtlichen Elternteilen erhalten. Bisher haben sie dieses Recht nur für ihre rechtlichen Eltern. Wenn Sorgeberechtigte Vereinbarungen über Sorge und Umgang treffen, soll dafür außerdem bei Kindern ab 14 die Zustimmung des Kindes nötig sein.
Verknüpft mit dem Sorge- und Umgangsrecht sind auch Änderungen im Abstammungsrecht, die Buschmann kürzlich gegenüber dieser Redaktion umrissen hatte. Auch dazu liegen nun Eckpunkte vor. Künftig soll gelten, dass bei Kindern, die im Rahmen einer lesbischen Ehe geboren werden, nicht nur die gebärende Frau automatisch als Mutter eingetragen wird, sondern auch ihre Ehepartnerin.
Gleichgeschlechtliche Ehen werden Hetero-Ehen gleichgestellt
Bisher mussten Familien in dieser Konstellation den Weg der Stiefkindadoption gehen. Dieser Schritt sei „mühevoll, kostenintensiv und mit Rechtsunsicherheit verbunden“, sagte Justizminister Buschmann. „Betroffene Familien empfinden ihn oft als schwere Belastung.“
Die Änderung würde lesbische Paare in dieser Hinsicht gleichstellen mit heterosexuellen Ehen – dort ist es schon jetzt die Regel, dass der Ehemann automatisch als Vater eines in der Ehe geborenen Kindes gilt.
Neu sind außerdem Elternschaftsvereinbarungen: Vor der Zeugung eines Kindes soll es möglich sein, mit einer öffentlich beurkundeten Vereinbarung festzulegen, wer neben der Mutter Elternteil des Kindes wird. Das ist relevant etwa in Fällen privater Samenspende, wenn der Spender kein Elternteil werden will, der unverheiratete Partner oder die unverheiratete Partnerin der Mutter aber schon. Auch künftig soll ein Kind aber nur zwei Eltern haben können.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) begrüßte die geplanten Änderungen: „Das Abstammungsrecht rührt aus einer Zeit, in der es neben dem klassischen Familienmodell Vater-Mutter-Kind kaum andere Familienformen gab“, sagte sie. Heute seien Patchwork- und Regenbogenfamilien Alltag vieler Menschen in Deutschland.
Reform im Familienrecht: Kritik an Buschmanns Vorstoß zum Wechselmodell
Kritik gibt es an einem anderen Punkt der Reformpläne: Buschmann will im Gesetz verankern, dass ein Gericht im Trennungsfall das Wechselmodell für die Betreuung festlegen kann. Im Wechselmodell betreuen getrennte Eltern das Kind oder die Kinder etwa zu gleichen Anteilen. Bislang wird das in einer Minderheit der Trennungsfamilien in Deutschland gelebt, als Standard gilt das Residenzmodell.
Gerichte können eine Betreuung im Wechselmodell auch derzeit schon anordnen, diese Möglichkeit soll jetzt aber noch einmal explizit im Gesetz festgehalten werden. Man wolle Trennungseltern besser dabei unterstützen, ihre Kinder partnerschaftlich zu betreuen, sagte Buschmann.
Schutz vor häuslicher Gewalt soll verbessert werden
Doch es gibt Zweifel, ob das im Interesse der betroffenen Kinder ist. Das Wechselmodell könne eine dem Kindeswohl entsprechende Lebensform für viele Familien sein, sagt Sabine Andresen, Präsidentin des Kinderschutzbunds – vorausgesetzt, die Eltern sind nach der Trennung in der Lage zu kommunizieren. In konflikthaften Trennungssituationen aber, sagt sie, „entspricht das Wechselmodell nicht dem Kindeswohl“. Und weiter: „Es stürzt Kinder dann in nicht aufzulösende Loyalitätskonflikte.“ Das habe zuletzt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bundesfamilienministerium gezeigt.
Das Paket aus dem Justizministerium sieht noch weitere Änderungen vor, etwa im Adoptionsrecht und in familienrechtlichen Verfahren, wo häusliche Gewalt stärker berücksichtigt werden soll. Bis die Reformen Gesetz ist, dürfte es aber noch dauern. Im Justizministerium hofft man, entsprechende Gesetzentwürfe bis Mitte des Jahres in den Bundestag zu bringen.
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