Vor zehn Jahren spürte NRW mit dem Ankauf von Daten-CDs Schwarzgeld in Steueroasen auf. Was sich geändert hat, erklärt eine Expertin.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) treibt den Aufbau einer neuen Schaltzentrale gegen besonders schwere Steuerhinterziehung weiter voran. Die Bochumer Juristin Stephanie Thien (60), die seit mehr als 30 Jahren in elf Finanzämtern gearbeitet hat und als Expertin für Kryptowährungen gilt, soll das neue Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF) leiten, wie Optendrenk am Montag in Düsseldorf bekanntgab.

Das LBF ist die bundesweit erste Landesbehörde, in der Spezialisten für Geldwäsche und Steuerbetrug stärker vernetzt arbeiten und IT-Kompetenzen gebündelt werden. Mit dem Jahreswechsel wurden im LBF zunächst die Sondereinheiten zur Bekämpfung der Organisierten Finanzkriminalität angesiedelt.

NRW zieht die zehn Finanzämter für Steuerstrafsachen zusammen

Anfang 2025 sollen dann die NRW-weit zehn Finanzämter für Steuerstrafsachen integriert werden, dabei jedoch ihre bisherigen Standorte behalten. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter wird dann bei etwa 1200 liegen, wovon die allermeisten jedoch bereits heute in der Finanzverwaltung tätig sind. Nur etwa drei Dutzend zusätzliche Stellen sind geplant.

Optendrenk erhofft sich von der Neuorganisation schnellere Erkenntnisse über die Methoden von Steuerkriminellen. Es stelle sich die Frage, „ob nicht Kriminelle sehr geschickt auch ausnutzen, wo wir innerstaatlich die Behördenzuständigkeit künstlich abgegrenzt haben“, sagte der Minister. „Je länger eine Behörde nicht merkt, dass Steuern hinterzogen und Kriminalität organisiert wird, desto stärker sind Strukturen in der Lage, sich zu verfestigen.“

Umsatzsteuerkarussells kosten den Fiskus geschätzt 15 Milliarden Euro

Als Beispiel gelten sogenannte Umsatzsteuerkarussells. Dabei werden Waren mit Hilfe von Scheinfirmen innerhalb der Europäischen Union verschoben, um sich die Umsatzsteuer, die nur in Deutschland fällig wird, zu Unrecht erstatten zu lassen. Der Schaden für den deutschen Fiskus wird allein durch diese Betrugsform auf 15 Milliarden Euro geschätzt.

„Die Menge der Fälle steigt stetig, deshalb müssen wir schneller werden“, sagte Behördenleiterin Thiem. Sie beschrieb die Steuerfahndung als eine Art lernendes System, das vorhandene Erkenntnisse noch besser nutzen könne. In NRW gebe es zum Beispiel 70 IT-Fahnder. Man stoße „immer wieder auf Erkenntnisse, was vor Ort gefehlt hat bei Durchsuchungsmaßnahmen“.

Vor mehr als zehn Jahren kaufte NRW reihenweise Steuer-CDs an

Anders als noch vor gut zehn Jahren, als Optendrenks Amtsvorgänger Norbert Walter-Borjans (SPD) mit dem Ankauf von Steuer-CDs mit geheimen Bankdaten für Furore sorgte, parken kriminelle Banden und Vermögende ihr Schwarzgeld offenbar nicht mehr so häufig in Schließfächern in Steueroasen. „Das nimmt ab, weil damit ziemlich viel Aufmerksamkeit erregt worden ist“, erklärte Thien. „Die Welt verändert sich, die Möglichkeiten werden andere.“ So spielten Kryptowährungen, also rein digitale Zahlungsmittel, heute eine immer größere Rolle, um Vermögen vor dem Staat zu verstecken. Das gesamte Steuerbetrugsnetz sei vielfältiger geworden, so Thien. „Es gibt nichts, was dem allgemeinen Betrüger nicht einfallen könnte, doch noch irgendwo die Steuern zu hinterziehen.“