Düsseldorf. Die NRW-Industrie warnt vor einem PFAS-Verbot. Jetzt soll das Land die Produktion retten. Es geht um eine Grünen-interne Debatte.

Die nordrhein-westfälische Industrie hat die schwarz-grüne Landesregierung aufgefordert, die Bundesregierung in letzter Minute vom geplanten EU-weiten Verbot der Industriechemikalien PFAS abzubringen. Diese riesige Stoffgruppe, die vor allem in Leitungen, Dichtungen oder Isolierungen verwendet wird, sei bei der Energiewende, im Medizinsektor oder in der Chip-Produktion nicht zu ersetzen.

„Ein generelles Verbot würde uns vor große Probleme stellen“, warnte Ralf Duessel, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit beim Essener Spezialchemiekonzern Evonik, am Donnerstag vor Journalisten. NRW-Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff bekräftigte, dass die drastischen Folgen für heimische Industrieproduktionen von der Bundesregierung kaum berücksichtigt würden: „Wir verbieten erstmal was und fragen dann nach Ausnahmen“, meinte er sarkastisch.

PFAS-Verbot: Bundesumweltministerin Lemke gilt als „Treiberin“

Konkret hoffen die betroffenen Branchen auf ein Einschreiten der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) in Berlin. „Die Grünen müssen mal miteinander reden“, forderte auch der südwestfälische CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Neubaurs Parteifreundin, sei Treiberin der PFAS-Verbotsidee und stehe in Brüssel „an der Spitze der Bewegung“, kritisierte Liese.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen sind Industriechemikalien, die in zahlreichen Produkten verwendet werden, aber nicht abgebaut werden können und deshalb Ökosystem sowie die menschliche Gesundheit belasten. Mehrere EU-Staaten mit Deutschland an der Spitze fordern ein PFAS-Verbot im Rahmen der bestehenden europäischen Chemikalienrichtlinie REACH. Die Beschränkung könnte bereits 2025 in Kraft treten.

Der südwestfälische Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) wirbt für eine differenzierte Betrachtung der problematischen PFAS-Chemikalien.
Der südwestfälische Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) wirbt für eine differenzierte Betrachtung der problematischen PFAS-Chemikalien. © Dr. Peter Liese MdEP | Dr. Peter Liese MdEP

EU-Parlamentarier Liese warb für eine differenzierte Betrachtung, da er selbst „überzeugter Umweltpolitiker“ sei: Aus Alltagsmaterialien wie Bekleidung oder Skiwachs könne man die Stoffe verbannen, nicht jedoch aus zentralen Industrieprozessen. Eine deutsche Produktionsanlage für den Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech hätte ohne PFAS während der Pandemie niemals in Betrieb genommen werden können, so Liese.

PFAS: Über 10.000 Substanzen, die besonders wasser-, schmutz- und fettabweisend sind

Es handelt sich bei den umstrittenen Chemikalien um mehr als 10.000 Substanzen, die besonders wasser-, schmutz- und fettabweisend sind. Sie werden nicht nur in Industrieanlagen verwendet, sondern auch in Alltagsprodukten wie Beschichtungen von Jacken und Pfannen oder in Kosmetik.

Für die chemische Industrie, die in NRW besonders stark vertreten ist, kommt die Verbotsdebatte zur Unzeit. Die Branche befindet sich in einer schweren Krise und verzeichnete im abgelaufenen Jahr einen Produktionsrückgang von elf Prozent. Wirtschaftsministerin Neubaur bescheinigten die Industrievertreter Problembewusstsein, doch müsse NRW nun seinen Einfluss in Berlin besser geltend machen.