Düsseldorf. Wird Nordrhein-Westfalen gut regiert? Das Jahr 2024 dürfte Antworten liefern. Denn nun muss Schwarz-Grün seine Versprechen einlösen.
Bisher konnte sich die erste schwarz-grüne Landesregierung in NRW im Glanz des Neuen sonnen. Aber mit dem Jahreswechsel rückt ihr Zwischenzeugnis näher, und damit die Frage, ob dieses Bündnis hält, was es verspricht. Ein Überblick über die absehbar wichtigsten Themen im neuen Jahr.
Die Kulisse:
Sie arbeiteten gut und geräuschlos, sagen CDU und Grüne über ihre Partnerschaft. Aber NRW ist keine Beziehungsinsel, und das Leben in Partnerschaften mitunter kompliziert. 2024 wird die Partner stressen, denn es ist ein Superwahljahr mit Abstimmungen in Europa, Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Dies, die Reibereien in der Ampel und die näher rückende Bundestagswahl werden 2024 in der Landespolitik Spuren hinterlassen.
Die vier größten landespolitischen Baustellen:
Bildungskrise: Wenn NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) gefragt wird, wann Grundschulkinder in NRW besser lesen, schreiben und rechnen können und wann der Lehrkräftemangel endet, spricht sie von einem „Marathon“. Dennoch muss die Ministerin ab 2024 klarstellen, dass NRW die Trendwende schafft.
Erste Weichen wurden nach dem schlechtem Abschneiden in diversen Vergleichsstudien gestellt. Es gibt ein Konzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung, Grundschüler bekommen mehr Lesezeit, NRW führt ein „Screening“ zur Überprüfung der Schulreife ein.
Hoffnungen ruhen auf dem „Startchancenprogramm“ von Bund und Ländern, über das ab dem Schuljahr 2024/25 rund 900 Brennpunktschulen in NRW unterstützt werden könnten. Ein Vorteil: NRW kann dabei auf einen Schulsozialindex zurückgreifen. NRW muss außerdem den Ganztag an Grundschulen fit machen für den Rechtsanspruch auf Betreuung ab 2026.
Flüchtlinge:Bis der EU-Asylkompromiss wirkt, dürften Monate vergehen. NRW und seine Städte stehen also weiter vor der Aufgabe, genügend Unterkünfte für Flüchtlinge vorzuhalten. 3000 zusätzliche Landesplätze will Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) zu Jahresbeginn schaffen, bis Jahresende sollen es insgesamt mehr als 40.000 Plätze sein. Ob das reicht?
Altschulden: Der Bund und NRW stellen den klammen Städten seit Jahren eine Altschuldenlösung in Aussicht, handeln aber nicht. Christoph Landscheidt (SPD), Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, geht daher mit einer düsteren Prognose ins neue Jahr: „Für 2024 sind in NRW echte Finanzhilfen kaum in Sicht. Stattdessen soll es Erleichterungen im Haushaltsrecht geben. Damit können wir die Schulden noch ein paar Jahre vor uns herschieben, fahren aber über kurz oder lang vor die Wand.“ Eine Lösung sei nicht in Sicht. Bürgerinnen und Bürger müssten mit Bäder-Schließungen und weniger Service rechnen. Die Alternative: höhere Grund- und Gewerbesteuern.
Krankenhausreform:Immer mehr Kliniken in NRW stehen vor der Insolvenz, gleichzeitig treibt NRW zusammen mit Kliniken, Medizinern und Krankenkassen einen Umbau der Krankenhauslandschaft voran, dem sogar Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Respekt zollt. Bis Ende 2024 soll das gelingen. Das Problem: Mancherorts dürften Kliniken schließen oder Leistungen kürzen. Eine Hypothek auch für die Kommunalwahl 2025 in NRW.
Der Biss ins Lenkrad:
Erst das Chaos wegen der Rahmedetalbrücke an der A45, jetzt der Ärger im Ruhrgebiet wegen der gesperrten A42. Kraftfahrer, Pendler, Reisende müssen in NRW geduldig sein. Gleich im Januar wird sich der Verkehrsausschuss in einer Sondersitzung mit der A42 beschäftigen. Bröseln noch mehr Brücken? Wird der Stau noch länger? Wann kommen die Radautobahnen? Wann werden Busse und Bahnen besser? Die Verkehrs-Fragen von 2023 sind auch die von 2024.
Hält Limbach durch?:
Im Landeskabinett fällt einer durch Wanken und Schwanken auf: Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Er trat als Hoffnungsträger an, inzwischen ist sein Ruf recht ramponiert. Er steht unter Klüngel-Verdacht, soll versucht haben, eine der Regierung genehme Juristin an die Spitze des Oberverwaltungsgerichts zu manipulieren. Limbach musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe Deutschlands beste Cum-Ex-Ermittlerin, Anne Brorhilker, entmachten wollen, und der Aktenfluss aus NRW zum Hamburger Cum-Ex-Ausschuss blieb lange ein Rinnsal. Prognose: Für Limbach wird 2024 die Luft dünn.
Die K-Frage:
2024 will die Union klären, wer für sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) herausfordert. Fast alles deutet auf Friedrich Merz hin. Falls die Wahl aber doch auf Hendrik Wüst fallen sollte, gerieten die Landes-CDU und ganz NRW in Stress. Immer im Hintergrund mit dabei: CSU-Chef Markus Söder.
Die Energiewende:
2024 will Schwarz-Grün mit einem neuen Landesentwicklungsplan den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Mehr Windenergie soll dann vor allem in Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster und im Ruhrgebiet möglich werden. Die Koalition strebt bis 2027 mindestens 1000 zusätzliche Windräder an. Das Wirtschaftsministerium treibt zudem 2024 die kommunale Wärmeplanung voran.
Opposition bleibt Mist:
„Die SPD ist wieder auf dem Platz“, schwärmt die neue Landespartei-Doppelspitze Sarah Philipp und Achim Post. Ihr Optimismus reibt sich mit dem Tiefflug, den die NRW-SPD in Umfragen hinlegt. Auch die FDP hat sich nach der verlorenen NRW-Wahl noch nicht richtig gefunden. Die AfD fühlt sich mit Blick auf Umfragen wieder stärker, zittert aber vor Wagenknecht. „Opposition ist Mist“, hat Franz Müntefering einst gesagt. Das gilt auch 2024.
Was 2024 in NRW noch wichtig wird
Der Kampf gegen Clan-Kriminalität, Geldautomatensprenger und Kindesmissbrauch geht weiter; die Verwaltungen, insbesondere die Baugenehmigung, sollen weiter digitalisiert werden; die umstrittene Grundsteuer-Reform wird fortgesetzt; Wälder müssen dem Klimawandel trotzen; der Fachkräftemangel und die Stärkung der Staatsanwaltschaften bleiben Dauerthemen. Auch interessant: NRW reformiert das Hochschulgesetz: Studierende sollen besser beraten werden und die Chance auf ein Orientierungssemester („Nulltes Semester“) bekommen.
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