Berlin. Die Huthi-Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer zeigen laut dem Militärexperten vor allem eines: Washington steht vor einem Problem.
Der Gaza-Krieg wird zunehmend zum Problem für den Welthandel, weil pro-iranische Milizen die Schifffahrt im Roten Meer behindern. Deutschland müsste sich eigentlich an der Marinemission „Operation Prosperity Guardian“ beteiligen, meint der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München. Es gebe aber beträchtliche Hürden.
Die USA und mehrere Verbündete schicken Kriegsschiffe ins Rote Meer, um die Handelsschifffahrt vor Angriffen der Huthi-Rebellen zu schützen. Die werden vom Iran unterstützt und wollen Lieferungen an Israel unterbinden. Erleben wir jetzt die befürchtete Ausweitung des Gaza-Kriegs?
Carlo Masala: Die Angriffe finden bereits seit Wochen statt, jetzt gibt es eine umfassende Reaktion darauf. Die Amerikaner sind bereits mit zwei maritimen Trägergruppen im östlichen Mittelmeer unterwegs. Diese Abschreckung scheint für gewisse Akteure in der Region nicht mehr glaubhaft zu sein. Das sieht man an den zunehmenden Angriffen der Huthi auf Handelsschiffe im Roten Meer. Und daran, dass die pro-iranische Hisbollah aus dem Libanon heraus weiterhin israelisches Territorium beschießt. Also verstärken die USA und ihre Verbündeten die Abschreckung. Die Amerikaner bleiben gleichwohl recht zurückhaltend: Sie könnten auch Huthi-Basen im Jemen beschießen. Bislang unterlassen sie das aber.
Wie groß ist das Risiko, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und dem Iran kommt?
Im Moment scheint mir das noch gering zu sein, weil die Provokationen der Verbündeten Irans in der Region relativ niedrigschwellig sind. Sie sind kein hinreichender Grund für die Amerikaner, direkt gegen den Iran vorzugehen.
Die Bundesregierung sagt, sie prüfe eine Beteiligung an der maritimen Operation im Roten Meer. Gibt es für Deutschland einen Grund, da nicht mitzumachen?
Die Regierung steckt in einer schwierigen Lage. Kaum ein anderer Staat in Europa profitiert in dem Maße wie Deutschland vom freien Welthandel und der Freiheit der Seewege. Also hat die Bundesrepublik nicht nur ein Interesse, sondern gewissermaßen auch eine politische Verpflichtung, sich zu beteiligen. Aber: Unsere Verfassung und auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts sehen vor, dass sich Deutschland nur im Rahmen des Systems der kollektiven Sicherheit an Militäreinsätzen beteiligen darf oder dann, wenn es ein Mandat der Vereinten Nationen gibt. Möglicherweise reicht auch ein EU-Mandat, aber dazu steht ein höchstrichterliches Urteil noch aus. Das, was die Amerikaner jetzt im Roten Meer machen, ist eine so genannte Koalition der Willigen – ohne Mandat. Die Bundesregierung hat also ein völkerrechtliches Problem.
In westlichen Hauptstädten wird die Kritik an der israelischen Regierung immer lauter. Der Vorwurf lautet, dass Israel im Gazastreifen die Zivilbevölkerung nicht ausreichend schütze und zudem keinen belastbaren Plan habe, wie es dort nach einem Ende des Krieges weitergehen könnte. Wie lange kann Benjamin Netanjahu diesen Druck ignorieren?
Solange, wie der Konflikt auf den Gazastreifen beschränkt bleibt und Israel keine massive militärische Hilfen von den USA benötigt, zum Beispiel umfangreiche Munitionslieferungen. Netanjahu geht gerade in einen offenen Konflikt mit Washington, was aus einer israelischen Perspektive eigentlich nicht sinnvoll ist. Aber er macht das aus innenpolitischen Gründen.
Wer könnte den Gazastreifen regieren, wenn die Kampfhandlungen eines Tages ein Ende finden?
Diverse Optionen sind denkbar. Es könnte eine Gruppe von Staaten mit UN-Mandat vorübergehend die Verwaltung übernehmen mit dem klaren Auftrag, den Wiederaufbau anzuschieben und freie Wahlen vorzubereiten. Das müssten eigentlich arabische Staaten sein, doch dazu gibt es von denen derzeit keine Bereitschaft. Denkbar wäre auch, das ohne arabische Staaten zu machen. Das sehe ich aber nicht, weil dann die Gefahr von Anschlägen viel zu groß wäre. Die dritte Möglichkeit wäre eine Übergabe des Gazastreifens an die Fatah, also an die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland – mit einer Perspektive auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Dem stellt sich aber Israel entgegen.
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