Berlin. Wackeln die Sparbeschlüsse der Ampel-Koalition? FDP-Fraktionschef Christian Dürr verrät im Interview, wo er nachbessern möchte.
Aus allen Richtungen kommt Protest gegen die Sparpläne der Ampelregierung. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, sagt im Interview, welche Bevölkerungsgruppe auf Erleichterungen hoffen darf.
Heizen, Sanieren, Reisen - die Ampel macht das Leben der Menschen teurer. Müssen Leistungsträger ausbaden, dass der Finanzminister den Staatshaushalt auf Sand gebaut hat?
Christian Dürr: Nein. Es wird neue Belastungen geben, so ehrlich muss man sein. Aber gleichzeitig bringen wir viele steuerliche Erleichterungen für Beschäftigte und Betriebe auf den Weg. Wir entlasten um 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer. Eine vierköpfige Familie wird 2024 etwa 500 Euro mehr übrig haben, dazu kommen Erhöhungen beim Grund- und Kinderfreibetrag.
Die FDP wollte eher bei Sozialleistungen wie dem Bürgergeld und bei der Entwicklungshilfe sparen. Was ist daraus geworden?
Wir werden beim Sozialstaat kürzen, etwa indem wir den Bürgergeld-Bonus streichen und die Sanktionen für Arbeitslose verschärfen, die sich weigern, einen Job anzunehmen. Ich hielte es auch für richtig, dass wir da noch weiter gehen. Studien haben gezeigt, dass die Arbeitsanreize in Deutschland zu schwach sind. Es muss sich aber immer mehr lohnen zu arbeiten, als nicht zu arbeiten.
Können Sie die Proteste aus der ländlichen Wirtschaft gegen die Abschaffung der Agrardiesel-Förderung verstehen?
Natürlich. Ich komme aus dem ländlichen Raum in Niedersachsen und kenne viele Landwirte. Die Agrardiesel-Erstattung wurde in der Vergangenheit unter anderem vom Bundeslandwirtschaftsministerium als klimaschädliche Subvention bezeichnet. Ich halte das für falsch. Im Etat des Ministeriums gibt es andere Stellen, an denen wir kürzen könnten. Ich bin sicher, dass wir in den Haushaltsberatungen darüber noch sprechen werden. Minister Özdemir hat sich ja bereits offen dafür gezeigt.
Ist es klug, die Förderung für den Kauf von E-Autos von heute auf morgen zu kappen?
Die Elektroauto-Prämie wurde von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert - und das seit vielen Jahren. Insofern halte ich es für richtig, dass diese kostspielige Förderung früher ausläuft als geplant. Das trägt zur dringend notwendigen Konsolidierung des Bundeshaushalts bei. Wichtig ist, dass diejenigen, die sich gerade ein E-Auto gekauft haben, Planungssicherheit bekommen. Das wird das Bundeswirtschaftsministerium sicherstellen.
Die Ampel hat auch die Tür zu einer weiteren Aussetzung der Schuldenbremse geöffnet - Stichwort Ukraine-Hilfen. Ist die FDP die Verliererin der Verhandlungen?
Im Gegenteil. Wir werden die Schuldenbremse im kommenden Jahr wieder einhalten. Wenn sich wirklich eine veränderte Situation durch den Krieg in der Ukraine ergibt, müssen wir handeln. Aber das gilt immer, so wurde die Schuldenbremse ja auch konzipiert. Machen wir uns nichts vor: Wenn die FDP nicht Teil dieser Koalition wäre, dann wäre die Schuldenbremse längst geschliffen worden. Es ist kein Geheimnis, dass auch die CDU-Ministerpräsidenten darauf drängen.
Wann ist der Punkt gekommen, an dem Sie sagen: Lieber nicht mehr regieren als schlecht regieren?
Ich war nie an diesem Punkt. Wir haben mit SPD und Grünen vieles vorangebracht, was in einer Jamaika-Konstellation an der Union gescheitert wäre. Denken Sie an die Verschärfungen in der Asylpolitik, die Steuersenkungen oder den beschleunigten Ausbau von Schienen und Straßen. Das sind große Reformen, die CDU und CSU immer blockiert haben. Dass die Verhandlungen nicht immer einfach werden, war uns völlig klar - schließlich regieren in Deutschland auch zum ersten Mal drei sehr unterschiedliche Parteien in einer Koalition. Ich gehe aber davon aus, dass wir das neue Jahr mit neuer Kraft beginnen werden. Es steht noch vieles an, was wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode umsetzen wollen.
Ist die Mitgliederbefragung der FDP zum Ampel-Aus bedeutungslos?
Der Blick unserer Mitglieder ist für uns sehr wichtig, deswegen führen wir diese Befragung auch bereits bei 500 Unterschriften durch. Wir haben mehr als 70.000 Mitglieder. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Mehrheit in der Koalition bleiben will. Es gibt ja bereits Initiativen, die sich dafür aussprechen. Wir haben viele Gesetze auf den Weg gebracht, die die klare Handschrift der FDP tragen. Das wissen auch unsere Mitglieder.
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