Berlin. Die Liste mit passenden Weihnachtsgeschenken schicken die Kids per Whatsapp mit Links zu den Anbietern. Klingt einfach? Von wegen.

Wir kriegen ja immer noch Wunschzettel. Leider nicht mehr verziert mit handgemalten Bildchen, Aufklebern und so was. Sondern ganz nüchtern per Whatsapp, inklusive Links zum Internet-Anbieter. Versehen mit der Bemerkung, das sei nur eine Anregung, es müsse nicht alles unter dem Baum liegen.

Das klingt erst mal einfach. Nach Feierabend-Sofa-Beschäftigung. Und mit einem wohligen Vorweihnachts-Gefühl starte ich mit dem Schal, stahlblau, 19 Euro. Bezahlbar, finde ich. Vergriffen, teilt der Anbieter schnell mit. Egal, ich mache weiter mit dem Pulli. Grün, weit, cool, finde ich. Vergriffen, teilt der Anbieter mit. Dann der Lippenstift: Brombeere im schmalen Silbermantel, bleistiftdünn. Würde ich schnell verlieren, denke ich. Vergriffen, teilt der Anbieter mit.

Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken: Wie in München geht es derzieht in vielen Innenstädten zu.
Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken: Wie in München geht es derzieht in vielen Innenstädten zu. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber | IMAGO stock

Ich beschließe, stahlblau ist stahlblau, also wage ich mich an einem Samstag im Advent in die Innenstadt und klappere die üblichen Shops ab. Stahlblau gibt es da nicht. Dann finde ich zwischen Holzbrettchen, Filz-Untersetzern und Wolldecke ein Pendent im Schnick-schnack-Laden mit passender Mütze. 149 Euro. „Ist Kaschmir mit drin“, erklärt die Verkäuferin. Ich stelle mir die Tochter vor, wir sie auf dem Fahrrad zur Uni hetzt, die Jacke noch auf, der Schal fliegt davon, landet im Schneematsch oder unter dem Auto hinter ihr.

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Ich probiere es weiter mit weiten grünen Pullis. Und ernte hochgezogene Augenbrauen. „Es gibt nur noch XS“, heißt es, sonst sei alles weg. Schließlich renne ich von Parfümerie zu Parfümerie. In einem Kaufhaus, dass nicht zur Karstadt-Kaufhof-Gruppe gehört, hellt sich bei meiner Frage nach dem Lippenstift das Gesicht der Verkäuferin auf. „Ich hab‘ noch einen“, sagt sie und strahlt. Da hätte ich wirklich Glück bei der Nachfrage. Warum den alle wollen? In brombeere? Ob ich das nicht wüsste? Das sei doch die Influencerin xy, die habe den bekannt gemacht.

Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft.
Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. © Berlin | Reto Klar

Ach so, das sind alles Influencer-Wunschlisten – und ich bin ihr Opfer. Ausgerechnet. Dass ich da nicht eher draufgekommen bin. Dabei kann ich mich durchaus in Instagram-Reals verlieren. Aber tatsächlich verschont mich der Algorithmus vor Mode-Influencern. Eine Zeitlang tauchte eine Ü-50-Frau auf mit Schminktipps samt Produkten, die den Zahn der Zeit kaschieren sollen. Und eine, die mir ihren Kleiderschrank präsentierte. Lauter zeitlose und alterslose Basics. Offenbar habe ich ihnen nicht lange genug zugesehen oder sie gleich weggewischt.

Nun werden mir vor allem Vokalensembles, Kochrezepte, feministische Comedians und frauenfeindliche Werbeclips aus den 1950er-Jahren angezeigt. Frauengold zum Beispiel. Wer sich nicht mehr erinnert, woher der Name dieser Kolumne kommt: Es ist das Elixier, das im Nachkriegsdeutschland Hausfrauen beruhigen sollte. Es wurde verboten, weil es Frauen in die Alkoholsucht trieb. Bis dahin wurden allerdings äußerst bizarre Werbefilme gedreht, in denen von Kindern und Ehemännern gehetzte Gattinnen in die Sinnkrise geraten. Nur „Frauengold“ bewahrt sie vor dem Durchdrehen.

Während ich nun darüber nachdenke, was unsere Tochter stattdessen wohl so alles auf Social Media konsumiert, um an diese Influencer zu geraten, kommt der nächste Wunschzettel per Whatsapp. Die große Schwester will Sneaker mit den drei Streifen. Die Retro-Version in rot. Ich finde sie richtig gut und beschließe, sie zwei Mal zu bestellen, denn ich möchte sie auch. Sie sind natürlich: vergriffen.

Socken, Rucksack, Mütze: Geschenke in letzter Minute.
Socken, Rucksack, Mütze: Geschenke in letzter Minute. © Funke Foto Services | Arnulf Stoffel

Der Sohn wünscht sich einen Hocker vom schwedischen Möbelhaus, Wiederauflage eines Artikels aus den 1970er Jahren. Kostet 49,95 Euro. Schon wieder retro, denke ich und reagiere routiniert gelassen, als es heißt, er sei nicht lieferbar. Aber halt: Da steht, ich könne ihn abholen. Nicht im nächsten Geschäft. Aber im Übernächsten. Dort kann ich ihn reservieren. Mache ich glatt.

Jetzt, am dritten Advent, habe ich also einen Lippenstift und einen Hocker. Ich würde sagen: Da ist noch Luft. Also: Ich brauche noch einen Geheimtipp für die Generation Z. Was Cooles. Am besten retro. Was alle haben und doch einzigartig ist. Da fällt mir doch glatt das Überraschungsei ein.

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