Düsseldorf. In der Vetternwirtschaft-Affäre um NRW-Justizminister Limbach gehen Richter und Staatsanwälte in beispielloser Weise auf Distanz.

In der Vetternwirtschaft-Affäre um NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sind Richter und Staatsanwälte am Freitag in beispielloser Weise auf Distanz gegangen. Die „Neue Richtervereinigung“, ein Zusammenschluss von Richtern und Staatsanwälten in NRW, nannte die Vorgänge um die Besetzung des Präsidentenpostens am Oberverwaltungsgericht Münster in einer Mitteilung einen „Skandal“.

Gegenüber dem „Spiegel“ legte der Vereinigungsvorsitzende Felix Helmbrecht, selbst Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf, sogar Limbach ausdrücklich den Rücktritt nahe: „Aus meiner Sicht er ist als Minister nicht mehr haltbar, dazu gibt es inzwischen zu viele Baustellen“, wird er dort zitiert. Die „Neue Richtervereinigung“ gilt als Zusammenschluss liberaler und eher den Grünen nahestehender Juristen.

Duz-Bekanntschaft des NRW-Justizministers bekam wichtiges Präsidentenamt

Eine Duz-Bekanntschaft von Limbach, die ihr Interesse am OVG-Präsidentenamt kurz nach dessen Amtsantritt bei einem privaten Abendessen im Juli 2022 angekündigt hatte und nachträglich ins eigentlich abgeschlossene Bewerbungsverfahren einsteigen konnte, bekam den Zuschlag. Zwei aussichtsreichen Mitbewerbern legte Limbach noch vor Kenntnis aller Dienstbeurteilungen in Vier-Augen-Gesprächen nahe, ihre Bewerbung zu überdenken. Auch Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) führte mit Limbachs Duz-Bekanntschaft und einem weiteren Bewerber vertrauliche Gespräche, in denen beide für sich hätten „werben“ wollen.

Limbach hatte im Landtag behauptet, persönliche Bewerbergespräche des Justizministers mit Kandidaten für höchste Richterämter seien trotz der Gewaltenteilung „ein absolut normaler Vorgang“. Helmbrecht wies das nun zurecht: „Wir sind entsetzt, wie eine allerdings bestehende und bislang nur unter vorgehaltener Hand eingeräumte Praxis zum Normalfall umdeklariert wird.“

„Jede Handwerkervergabe wäre als grob rechtswidrig abgebrochen“

Richterbesetzungen in NRW sollen eigentlich nach dem Prinzip einer objektiven Bestenauslese und nicht nach politischen oder persönlichen Vorlieben der jeweiligen Regierung erfolgen. Die „Neue Richtervereinigung“ nannte politische Bewerbergespräche „unfair und intransparent“ und nicht der Rechtslage entsprechend. „Jedes Vergabeverfahren um Handwerkerleistungen für den öffentlichen Dienst würde nach vergleichbaren Einflussnahmen des Entscheiders als grob rechtswidrig abgebrochen“, erklärte Helmbrecht.

Zwei unterlegene Konkurrenten von Limbachs Favoritin haben erfolgreich bei den Verwaltungsgerichten Münster und Düsseldorf gegen ihre Nicht-Berücksichtigung geklagt. Das letzte Wort hat nun das OVG selbst. Ein Urteil wird spätestens Anfang 2024 erwartet. Die Opposition im Landtag fordert seit Wochen Limbachs Rücktritt. Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) hat sich jedoch vergangene Woche klar hinter den angeschlagenen Justizminister gestellt und ihm gute Arbeit bescheinigt.