Washington. Der US-Präsident wird ein Jahr vor der Wahl in Umfragen zur Belastung für die Demokraten – auch, weil er sich oft nicht gut verkauft.
Ein Jahr vor der US-Wahl 2012 hatten die Demoskopen Barack Obama bereits abgeschrieben. Dem lichtgestaltigen Emporkömmling aus Chicago wurde eine Niederlage in der Größenordnung von minus acht Prozent prophezeit. Dass es anders kam, hätte am Wochenende, als genau zwölf Monate vor der nächsten Wahl dramatisch ungünstige Zahlen über den politischen Aggregatzustand von Joe Biden bekannt wurden, bei Amerikas Demokraten eigentlich Gelassenheit auslösen müssen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Ausgerechnet David Axlrod, einer der damaligen Top-Berater Obamas im Weißen Haus und in der Sache eingefleischter Biden-Fan, ging mit Sätzen an die Öffentlichkeit, die nur als Appell an den 80-jährigen Amtsinhaber verstanden werden können, schleunigst die Reißleine zu ziehen und seine Ambitionen auf eine zweite Amtszeit zu begraben.
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Axlrod machte verklausuliert klar, dass es nicht dem „Interesse des Landes“ diente, würde der seit mehr als einem halben Jahrhundert in Washington waltende Berufspolitiker die in immer engerer Taktfolge kommenden Hiobsbotschaften überhören. Mit anderen Worten: Biden soll demütig akzeptieren, dass trotz sehr ordentlicher Leistungsbilanz ein überwältigend großer Teil der Amerikaner seiner überdrüssig geworden ist.
Demokraten fürchten eine zweite Amtszeit Trumps
Die Mehrheit der Wähler hält ihn schlicht für zu alt, um das Staatsschiff vier weitere Jahre zu steuern. Biden soll, auf dem Zenit seiner Macht, sein Ego – und damit die Überzeugung, der einzige Demokrat zu sein, der Trump ein zweites Mal verhindern kann – zurückstellen und den Weg für eine jüngere demokratische Spitzenkraft freimachen.
Mit dieser Stoßrichtung hat das strukturell schon zum Amtsantritt 2021 begonnene Grummeln innerhalb des demokratischen Lagers über Bidens Befähigung eine neue Qualität erreicht. Sie ist Ausdruck echter Verzweiflung. Die Partei fürchtet, dass der älteste Präsident in der Geschichte des Landes am 5. November 2024 das Nachsehen haben wird gegenüber einem Mann, der bei Licht besehen nach seinen Demokratie zersetzenden, kriminellen Missetaten nie wieder auch nur in die Reichweite des Weißen Hauses gelassen werden dürfte.
Genau dazu kann es kommen, wenn sich die miserablen Werte Bidens in umkämpften Bundesstaaten wie Arizona, Georgia, Michigan, Nevada und Pennsylvania in den kommenden Monaten erhärten sollten. Dabei sticht ein Detail hervor: Jeder andere demokratische Kandidat, der nicht Biden heißt, würde den im Volk nicht minder unbeliebten Donald Trump schlagen. Selbst Kamala Harris, die in Umfragen konsequent abgestrafte Vize-Präsidentin, hätte bessere Erfolgsaussichten. Wenn das kein Weckruf ist – was dann?
Biden wirkt irgendwie aus der Zeit gefallen
Bidens Kern-Problem ist beileibe nicht schlechte Politik. Was der Mann bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Corona-Kollateralschäden, der Ankurbelung einer grünen Energie- und Infrastrukturlandschaft sowie der Renaissance produzierender Schlüsselindustrien trotz Widerstands der Republikaner im Kongress geleistet hat, ist geschichtsbuchträchtig.
Allein, Biden dringt anders als beim Management auswärtiger Krisen von Ukraine bis Israel kaum durch, wenn es um Brot-und-Butter-Themen geht. Ohne Charisma, stattdessen oft verwirrt und irgendwie aus der Zeit gefallen, ein schlechter Verkäufer seiner selbst – so wird Biden jenes multi-ethnische Wählerbündnis (Junge, Schwarze, Latinos, Frauen), das ihn 2020 gerettet hat, nicht mobilisieren können.
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