Brüssel. Nach dem Angriff auf Israel streitet die EU über Konsequenzen für die Palästinenser. Eine große Ankündigung ist schon vom Tisch.
Peinliches Verwirrspiel in der EU kurz nach dem Großangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel: Die Union streitet auf offener Bühne über Hilfszahlungen für die palästinensischen Gebiete. Die EU-Kommission korrigiert nach Protest von EU-Mitgliedstaaten ihre Ankündigung, alle Hilfszahlungen an die Palästinenser würden eingefroren.
Es werde nach dem Terrorangriff der Hamas zwar eine dringende Überprüfung der Hilfszahlungen geben, erklärte die Kommission am Montag Abend. Die Kommission stellte aber erstens klar, dass die angekündigte Überprüfung nicht die humanitäre Hilfe betreffe, die im Rahmen des Europäischen Katastrophenschutzes und der humanitären Hilfe (ECHO) geleistet wird. Und sie betonte zweitens: „Da in der Zwischenzeit keine Zahlungen vorgesehen waren, wird es auch keine Zahlungsaussetzung geben.“ Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte: Die Kommission werde keine notwendigen Zahlungen einstellen. Alle Palästinenser zu bestrafen werde nur den Interessen der EU in der Region schaden und die Terroristen ermutigen.
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Verwirrspiel um Zahlungen für Palästinenser: Einfrieren war offenbar nicht abgesprochen
Nur Stunden zuvor hatte der zuständige EU-Kommissar Oliver Varhelyi über den Kurznachrichtendienst X angekündigt, die EU friere „sofort“ alle Hilfszahlungen ein.
Die Kommission stelle ihr gesamtes Entwicklungsportfolio im Wert von insgesamt 691 Millionen Euro auf den Prüfstand, alle Projekte würden untersucht, sämtliche Zahlungen würden ausgesetzt. Es könne kein „Business as Usual“ geben, erklärte der aus Ungarn stammende Varhelyi.
Doch das Vorgehen war mit den Mitgliedstaaten nicht abgestimmt, in mehreren Hauptstädten gab es umgehend Protest – etwa in Spanien, Irland und Luxemburg. Der amtierende luxemburgische Außenminister Jean Asselborn erklärte, seine Regierung unterstütze das Einfrieren der Hilfsgelder nicht. Dies zu entscheiden sei außerdem Sache der Mitgliedsländer.
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Ähnlich äußerte sich das irische Außenministerium, das zudem kritisierte, der Kommissar habe eine einseitige Entscheidung ohne rechtliche Grundlage verkündet. Die spanische Regierung meldete sich ebenfalls verärgert in Brüssel. Die Kommission versicherte in der nachgeschobenen Erklärung auch, sie werde sich nach der zügigen Überprüfung „mit den Mitgliedstaaten und Partnern über die erforderlichen Folgemaßnahmen abstimmen“.
Der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič, sagte: „Die humanitäre Hilfe für notleidende Palästinenser wird so lange fortgesetzt wie es nötig ist.“ Er verurteile die Terrorangriffe der Hamas auf das Schärfste, „aber es ist ein Gebot, Zivilisten zu schützen“.
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Streit in der EU dürfte Krisensitzung überschatten
Der Streit dürfte nun eine Sonderkonferenz der EU-Außenminister zu dem Angriff auf Israel an diesem Dienstag überschatten. Die EU ist ohnehin seit Jahren in der Nahost-Politik gespalten. Das erschwert jetzt ein starkes Signal der Union als Reaktion auf den Großangriff der Hamas. Die Bundesregierung hat nach dem Überfall der Hamas die Zahlung von Entwicklungsgeldern vorübergehend ausgesetzt, aber betont, dass Mittel für die humanitäre Hilfe weiterfließen.
Mit der EU-Hilfe für die Palästinenser, unter anderem im Gazastreifen, werden nach Angaben der Kommission vor allem wichtige Unterstützungsleistungen für die palästinensische Bevölkerung sowie die der Autonomiebehörde gefördert, eine – etwa im Gesundheitssektor, Sozialhilfeleistungen für arme Familien oder Entwicklungsprojekte für Rechtsstaatlichkeit, Wasser- und Energieversorgung und wirtschaftliche Entwicklung.
Es sei aber ausgeschlossen, dass Gelder an die Hamas oder andere Terrorgruppen gingen, erklärt die Kommission. Zudem werde auch das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten unterstützt, hieß es. Insgesamt geht es aktuell um eine Summe von 1,2 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2024.