Berlin. Am 24. August ist der Ukraine-Krieg 18 Monate alt. Experten reden längst von einem Abnutzungskrieg – mit schrecklichen Verlusten.
Wenig Bereitschaft zu Gesprächen, verhärtete Fronten, erbitterte Kämpfe um kleinste Landgewinne, horrende Verluste. Der Ukraine-Krieg erinnert viele Beobachter an den Ersten Weltkrieg.
Erschreckend ist, was die renommierte "New York Times" aus Regierungskreisen in den USA erfahren haben will: der Krieg fordert offenbar einen hohen Blutzoll – auf beiden Seiten. Die Amerikaner schätzen die Zahl der so genannten "Casualties" auf insgesamt eine halbe Million Soldaten, die entweder verwundet oder getötet wurden.
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Ukraine-Krieg; Die Opferzahlen sind schockierend
Die Verluste Russlands werden auf 300.000 Menschen taxiert, die der Ukraine auf 200.000. Generell gilt: Der Angreifer muss mit mehr Verlusten rechnen. Auf der ukrainischen Seite dürfte die Verlustrate im Laufe der Sommeroffensive gestiegen sein.
Die Zahl der gefallenen russischen Soldaten wird auf bis zu 120.000 geschätzt, die der Verletzten auf 170.000 bis 180.000. Auf ukrainischer Seite seien bei den Kämpfen rund 70.000 Soldaten ums Leben gekommen und 100.000 bis 120.000 verwundet worden.
Die Ukraine hält ihre Verluste geheim, auch gegenüber den USA
Die Zahlen sind plausibel. Sie muten an wie die Fortschreibung der Analyse des Nato-Oberbefehlshabers in Europa, General Christopher Cavoli, der schon im März beim traditionellen Matthiae-Mahl des Hamburger Senats mit schockierenden Opferzahlen aufhorchen ließ.
Laut "New York Times" informiert die Ukraine die Verbündeten nicht über ihre Verluste. Die US-Geheimdienste tendierten überdies dazu, sich stärker auf die russischen Verluste zu fokussieren.
Eine Studie der chirurgischen Fachgesellschaft der USA, das American College of Surgeons, und die Berichte von medizinischen Helfern in der Ukraine lassen vermuten, dass fünf bis zehn Prozent der ukrainischen Frontsoldaten verwundet oder getötet worden sind.
Auch die schlechte medizinische Versorgung erklärt die Opferzahlen
Grundsätzlich ließe sich die Gesamtzahl der Verluste im Krieg reduzieren. Aber insbesondere die ärztliche Versorgung auf russischer Seite scheint furchtbar schlecht zu sein. Es sterben Verwundete, die bei einer besseren Betreuung eine Überlebenschance hätten.
Für beide Seiten ist es oft unmöglich, Verwundete schnell zu bergen. Im schlimmsten Fall müssen Ärzte in Frontnähe unter Artilleriebeschuss operieren. Die Hygienestandards sind prekär. Wenn möglich, werden ukrainische Schwerstverletzte denn auch in europäischen Kliniken behandelt. Die "New York Times" kommt zum Ergebnis, der Mangel an schneller medizinischer Versorgung habe die Zahl der Opfer zusätzlich erhöht.
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Insbesondere Russland nimmt offenbar keine Rücksicht auf seine Soldaten. Schon bald war speziell beim Kampf um Bachmut vom "Fleischwolf" die Rede. Die Ukrainer nannten die russischen Soldaten, die ungeschützt und um jeden Preis nach vorn stürmen müssen – oftmals ehemalige Häftlinge –, die "Einmalstürmer".
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Der Wissenschaftler Alexander Gabujew, der das Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin leitet, erinnerte neulich im "Spiegel" daran, dass Russlands Bevölkerung viermal größer als die der Ukraine sei und dass ein neues Gesetz Kremlchef Wladimir Putin erlaube, "so viele Männer zu rekrutieren, wie er will." Das große Sterben könnte noch lange anhalten.
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