Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz macht den Wirtschaftsexperten Carsten Linnemann zum neuen Generalsekretär. So tickt der 45-jährige Paderborner.

Wichtig für die CDU war Carsten Linnemann bisher schon: Als stellvertretender Parteivorsitzender und Chef der Grundsatzkommission investierte er seit Januar 2022 viel Zeit und jede Menge Herzblut in die Entstehung neuer Leitlinien für die Partei. Sein Auftrag: die CDU erneuern und eine klare Richtung für die anstehenden Wahlen bis zur Bundestagswahl 2025 vorgeben. Jetzt ist Linnemanns Einfluss im Konrad-Adenauer-Haus noch einmal deutlich gewachsen.

CDU-Chef Friedrich Merz setzt seinen langjährigen Vertrauten als Generalsekretär ein – und feuert nach nur eineinhalb Jahren Mario Czaja, den ehemaligen Berliner Gesundheitssenator. Linnemanns Berufung wird als „Befreiungsschlag“ kommuniziert. Er gilt als Arbeitstier, sei sich nicht zu schade, selbst bei Parteimitgliedern im hintersten Kreisverband anzurufen und nach ihrem Befinden oder Ideen für die CDU zu fragen.

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Schon der Programmprozess vergangenes Jahr hat enorm zu Linnemanns Sichtbarkeit beitragen. Jetzt dürfte sein Arbeitspensum noch einmal zunehmen. „Ich muss jetzt an die Arbeit, das wird richtig hart“, kommentierte Linnemann seine Ernennung am Mittwochvormittag.

Linnemann gilt mit 45 Jahren als Hoffnungsträger der CDU

Linnemann stammt wie Merz aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband. Er sitzt für die Christdemokraten seit 2009 im Bundestag, gilt als konservativer Flügelmann und Hoffnungsträger der Partei – obwohl er immerhin schon 45 Jahre alt ist. Zwar ist der Paderborner unverheiratet, lebt aber in einer festen Partnerschaft und hat ein Kind. Er kommt aus einer Buchhändlerfamilie – und hat selbst schon zwei Bücher geschrieben. Zuletzt „Die ticken doch nicht richtig – warum Politik neu denken muss“, in dem er von seiner politischen Sinnkrise vor der Bundestagswahl 2021 berichtet.

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Als studierter Volkswirt hat er sich einen Namen als Wirtschaftsexperte gemacht – wie Merz selbst einst. Von 2013 bis 2021 war Linnemann Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), mit rund 25.000 Mitgliedern der größte parteipolitische Wirtschaftsverband in Deutschland. Dass einer der ihren jetzt in noch zentralerer Funktion sitzt, löst bei der Arbeitsgemeinschaft der mittelständischen Unternehmer großen Jubel aus. Aber auch der Sozialflügel CDA ist nicht betrübt darüber, Czaja zu verlieren, der nie als echter Arbeiterführer galt. „Er hat sich nicht für unsere Themen eingesetzt“, sagen Mitglieder.

Mario Czaja, Linnemanns Vorgänger im Amt des CDU-Generalsekretärs, gilt er als ruhiger Stratege.
Mario Czaja, Linnemanns Vorgänger im Amt des CDU-Generalsekretärs, gilt er als ruhiger Stratege. © IMAGO/Frank Gaeth | IMAGO/Frank Gaeth

Linnemann startet aus der besseren Position als seinerzeit Czaja. Er hat echte Fans in der CDU und ist durch die Regionalkonferenzen und Arbeitsgruppen zum Grundsatzprogramm gut in den Landesverbänden vernetzt. Bei Linnemann bestanden auch nie Zweifel, wen er als Kanzlerkandidaten unterstützt. „Die Bundestagfraktion steht fest hinter Friedrich Merz. Wenn er Kanzlerkandidat werden will, dann wird er es“, sagte der neue Generalsekretär im April unserer Redaktion.

Höchste Parteifunktionäre waren völlig überrascht vom Wechsel

Der Zeitpunkt des fliegenden Wechsels scheint zu passen: In der parlamentarischen Sommerpause kann Linnemann thematische Duftmarken setzen. „Er muss diese Bühne nutzen“, heißt es aus dem Bundesvorstand. Das Gremium war am Mittwoch einstimmig der Empfehlung von Merz gefolgt und hatte Linnemann zum kommissarischen General ernannt.

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Als Chef der Programmkommission formulierte er den Anspruch, jedes Parteimitglied solle – mitten in der Nacht geweckt – die drei zentralen Inhalte des Grundsatzprogramms nennen können. Der 45-Jährige will, dass jeder im Land weiß, wie sich die CDU in den großen Gesellschaftsthemen wie Rente, Pflege und Familienpolitik von anderen Parteien unterscheidet. Nach 16 Jahren unter Ex-KanzlerinAngela Merkelist der CDU ihr Wiedererkennungswert wichtiger denn je. Das Programm soll auf dem Bundesparteitag im Mai 2024 verabschiedet werden.

Linnemann gilt als Freund klarer Sprache – er will mutig agieren

Außerdem wird er mehr als bisher in der Öffentlichkeit stehen: Generalsekretäre sind so etwas wie die Kampfhunde ihrer Parteien. Sie spitzen zu, lassen Testballons steigen. Genau diese Rolle wird Linnemann zugetraut. Der Paderborner habe Lust an Wettbewerb, mache klare Ansagen, heißt es. Auch der Umbau im Konrad-Adenauer-Haus, wo zuletzt viel Personal abhanden kam, gehört zu seinen Aufgaben. Er soll eine neue Corporate Identity, also ein einheitliches, äußeres Erscheinungsbild, für die CDU entwickeln.

Und das eilt, denn 2024 sind drei Landtagswahlen im Osten, dazu die Europawahl – die Wahlkämpfer bereiten sich längst vor. Es müsse jetzt wie am Schnürchen laufen in der Parteizentrale, fordern Spitzenvertreter. Bei dieser Herkulesaufgabe wird Linnemann weniger Zeit haben für sein liebstes Hobby, den Sport: Den Frühaufsteher kann man schon bei Sonnenaufgang in Berlin beim Joggen antreffen. Er ist auch Vizepräsident des Zweitligisten SC Paderborn.

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