Berlin. Die gesetzliche Rente steigt – aber über 100.000 Ruheständler werden nun steuerpflichtig. Warum das jüngere Rentner besonders betrifft.
- Ab dem 1. Juli gibt es für Rentnerinnen und Rentner in Deutschland mehr Geld
- Doch rund 100.000 von ihnen werden dadurch steuerpflichtig und zahlen höhere Abgaben
- Wer ist betroffen? Und wo liegt die Steuergrenze? Alle Infos im Überblick
Zum 1. Juli steigen die Renten in Deutschland kräftig – in West wie Ost. Das Plus wird aber voraussichtlich nicht reichen, um den raschen Anstieg der Lebenshaltungskosten auszugleichen. Unterm Strich werden sich viele Ruheständler von ihrem Geld also weniger kaufen können. Hinzu kommt: Durch die Erhöhung kommen mehr als 100.000 Rentner in die Situation, wieder Steuern zahlen zu müssen. Ein Überblick.
Rente: Wie hoch fällt die Erhöhung aus?
Jedes Jahr Anfang Juli werden die gesetzlichen Renten angepasst. Jetzt steigen die Altersbezüge in den alten Bundesländern um 4,39 Prozent und in den neuen Ländern um 5,86 Prozent. Davon profitieren etwa 21 Millionen Ruheständler. Die Anhebung betrifft auch Menschen, die Erwerbsminderungsrenten oder Witwen- beziehungsweise Witwerrenten beziehen.
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Allerdings rechnen Fachleute damit, dass sich die Lebenshaltungskosten in diesem Jahr noch einmal um rund sechs Prozent erhöhen werden. Das Renten-Plus fällt also geringer aus als die allgemeine Preissteigerung. Die Entwicklung der Renten folgt der der Löhne.
Rente: Was ändert sich noch zum 1. Juli?
Erstmals seit der Deutschen Einheit gibt es fortan einen einheitlichen Rentenwert in Ost und West: Für einen Rentenpunkt gibt es nun überall 37,60 Euro. Verdient ein Arbeitnehmer in einem Jahr genau so viel wie der Durchschnitt der Beschäftigten, schreibt ihm die Rentenversicherung dafür einen Rentenpunkt gut. Bei Abweichungen nach oben oder unten gibt es entsprechend mehr oder weniger. Die Höhe der Altersrente bemisst sich daran, wie viele Rentenpunkte ein Versicherter während seines Berufslebens angesammelt hat.
Müssen Rentner Einkommensteuern zahlen?
Ja – aber nur dann, wenn ihr zu versteuerndes Einkommen den Grundfreibetrag übersteigt. Der liegt in diesem Jahr bei 10.908 Euro, im vergangenen Jahr waren es 10.347 Euro. Bei gemeinsam veranlagten Paaren ist es das Doppelte. Bei vielen Ruheständlern ist die Rente das einzige Einkommen. Andere haben noch weitere steuerpflichtige Einnahmen – etwa aus Zusatzjobs, Vermietungen oder Kapitalanlagen. Das zu versteuernde Einkommen ist das Einkommen abzüglich Werbungskosten, sonstigen Aufwendungen und Freibeträgen.
Hintergründe zur Rente im Überblick
System | Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Äquvivalenz- und dem Solidarprinzip. |
Renten-Arten | Grund-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrente |
Ausnahmen | Selbstständige und Freiberufler sind in der Regel von der Versicherungspflicht befreit. |
Finanzierung | Die gesetzliche Rente in Deutschland ist grundsätzlich umlagenfinanziert. |
Probleme | Die Unterfinanzierung resultiert hauptsächlich aus der zunehmend älter werdenden Bevölkerung in Deutschland. |
Drei Säulen | Die Altersvorsorge in Deutschland umfasst die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge. |
Ursprung | Die gesetzliche Rente wurde am 22. Juli 1889 unter Reichskanzler Otto von Bismarck offiziell eingeführt. |
Werden Renten bei der Steuer voll berücksichtigt?
Bisher nicht. Das hängt damit zusammen, dass gerade ein großer, langfristig angelegter Systemwechsel stattfindet – nämlich von der vor- zur nachgelagerten Besteuerung. In der Vergangenheit wurden die eingezahlten Rentenbeiträge besteuert, bis 2040 sollen dann die ausgezahlten Renten komplett der Steuerpflicht unterliegen. Im Gegenzug können während des Berufslebens die Rentenversicherungsbeiträge vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden.
In der Übergangszeit nimmt für Neurentner jedes Jahr der Anteil der Rente zu, der versteuert werden muss. Für Personen, die bis 2005 in Rente gegangen sind, lag der steuerpflichtige Anteil zu diesem Zeitpunkt bei 50 Prozent. Bei Personen, die 2023 in Rente gehen, sind es bereits 83 Prozent. Der so genannte Rentenfreibetrag entspricht demnach 17 Prozent. Die endgültige Höhe des Rentenfreibetrags wird immer individuell aus der ersten vollen Jahres-Bruttorente errechnet. Geht jemand beispielsweise im August 2023 in Rente, kommt es darauf an, wie hoch seine Rentenbezüge im Jahr 2024 sind.
Was heißt das in der Praxis?
Wer irgendwann im Laufe des Jahres 2023 in den Ruhestand geht und im Folgejahr insgesamt 12.000 Euro Rente bezieht, hat einen Rentenfreibetrag von 2.040 Euro und muss theoretisch 9.960 Euro versteuern. Tatsächlich würden in diesem Fall aber gar keine Steuerzahlungen fällig, weil die Person aufs Jahr gesehen unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrags von 10.908 Euro liegt.
Anders kann es aussehen, wenn dieser Rentner noch über weitere Einkünfte verfügt. Wichtig: Der persönliche Rentenfreibetrag wird nur einmal festgelegt und ändert sich nicht mehr. Die Person aus dem genannten Beispiel wird also auch in den kommenden Jahren immer einen Rentenfreibetrag von 2.040 Euro pro Jahr oder 170 Euro pro Monat haben – auch dann, wenn die Jahres-Bruttorente aufgrund von Rentenerhöhungen in der Zuk unft deutlich über den ursprünglichen 12.000 Euro liegt.
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Müssen Rentner eine Steuererklärung abgeben?
Rentner ohne weitere Einkünfte müssen eine Steuererklärung abgeben, wenn der steuerpflichtige Teil der Jahresbruttorente den steuerlichen Grundfreibetrag übersteigt oder wenn das Finanzamt sie dazu auffordert.
Ab welcher Rente müssen Ruheständler Steuern zahlen?
Das hängt vom persönlichen Rentenfreibetrag und damit vom Jahr des Rentenbeginns ab – sowie den Freibeträgen und individuellen Ausgaben, die bei der Steuererklärung geltend gemacht werden können. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine hat ausgerechnet, dass bei einem Renteneintritt 2023 Jahresrenten bis 15.411 Euro auf jeden Fall steuerfrei bleiben.
Begann der Ruhestand schon 2017, liegt die Grenze demnach bei 16.634 Euro (West) beziehungsweise bei 16.436 (Ost). Die Werte gelten jeweils für Singles, für Ehepaare sind sie doppelt so hoch. Der Verband berücksichtigte bei seiner Berechnung bereits die Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung, die zum 1. Juli erfolgt.
Gibt es Rentner, die aufgrund der aktuellen Rentenerhöhung in die Steuerpflicht rutschen?
Ja. Das passiert bei nahezu jeder Rentenerhöhung. Wie das Bundesfinanzministerium von Ressortchef Christian Lindner (FDP) unserer Redaktion auf Anfrage mitteilte, werden aufgrund der jetzt geplanten Rentenerhöhung voraussichtlich weitere 109.000 Rentnerinnen und Rentner in die Steuerpflicht rutschen. Durch die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags zum Jahresbeginn seien umgekehrt aber 195.000 Ruheständler aus der Steuerpflicht gefallen.
Insgesamt sind knapp sechs Millionen Personen mit Renteneinkünften steuerpflichtig. Das Finanzministerium rechnet damit, dass durch die Rentenerhöhung die Steuereinnahmen des Staates um 660 Millionen Euro steigen werden. Es weist aber auch darauf hin, dass durch die Anpassung des Steuertarifs 2023 – die im Rahmen der Entlastungspakete des Bundes geschah – die Rentenbezieher um fast zwei Milliarden Euro entlastet werden.
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