Berlin. In Ruanda breitet sich das tödliche Marburg-Virus innerhalb weniger Tage aus. Kann der lokale Ausbruch nach Deutschland überschwappen?

Elf Tote – sieben Infizierte an einem Tag: Das Marburg-Virus trifft das zentralafrikanische Ruanda mit voller Härte. 36 Menschen haben sich mittlerweile angesteckt, schreibt das örtliche Gesundheitsministerium auf der Plattform X. Während Bilder des Ebola-Ausbruchs von 2014 bis 2016 zwar erschütterten – aus damaliger Perspektive jedoch weit entfernt waren – zeigte das Coronavirus, wie schnell sich lokale Ausbrüche zu einer Pandemie entwickeln können.

Und auch das Marburg-Virus schien am Mittwochnachmittag gefährlich nah zu kommen: Am Hamburger Hauptbahnhof wurde Großalarm ausgelöst, weil ein Medizinstudent grippeähnliche Symptome zeigte. Er hatte zuvor einen mit dem Marburg-Virus infizierten Patienten in Ruanda behandelt. Auch wenn sich später rausstellen sollte, dass er nicht mit dem tödlichen Erreger infiziert ist: Könnte das Virus über Ländergrenzen hinweg zu einer globalen Gefahr werden?

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Marburg-Virus: „Todesrate zwischen 25 und teilweise bis zu 90 Prozent“

Immer wieder kam es in der jüngsten Vergangenheit zu lokalen Ausbrüchen in Zentralafrika, die zahlreiche Menschenleben forderten: „Bei dem Marburg-Virus liegt die Todesrate zwischen 25 und teilweise bis zu 90 Prozent – je nach Ausbruch, wo er stattfindet und wie die Bedingungen sind“, sagt Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität Marburg, im Gespräch mit dieser Redaktion „Das ist wirklich eine sehr schwere Erkrankung.“

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Der Erreger, der wie das Ebola-Virus zu den Filoviren gehört, wurde zuletzt durch Nilflughunde übertragen. „Das Problem ist, dass man oft nicht genau weiß, wie der erste Mensch in der Infektionskette wirklich infiziert wurde“, so Becker. Denkbar sei, dass sich Menschen in Nähe von Höhlen infizieren, in denen die Tiere leben. Auch werden die Flughunde gejagt und geschlachtet – durch den engen Kontakt mit den Kadavern sei dann eine Infektion denkbar.

Marburg-Virus: Im Gegensatz zu Corona eindeutige Symptome

Ist das Virus erst einmal übertragen, kann es auch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden – etwa durch engen Körperkontakt. „Man weiß von dem Ebola-Virus, dass in späteren Phasen der Infektion der Virus-Titer, also die Menge der Viren, in der Haut der Infizierten besonders groß ist“, sagt Becker. Etwa durch kleine Wunden in der Haut oder Körperflüssigkeiten wie Blut können die Erreger aufgenommen werden.

Eine elektronenmikroskopische Aufnahme des Marburg-Virus.
Eine elektronenmikroskopische Aufnahme des Marburg-Virus. © dpa | Dr. Frederick Murphy

Wenn Menschen sich angesteckt haben, sind die Symptome eindeutig. Mit Corona sei das „überhaupt nicht zu vergleichen“, so Becker. Neben sehr hohem Fieber leiden Betroffene unter Durchfall. „Bei denen, die dann sterben an der Erkrankung, tritt auch oft hämorrhagisches Fieber auf.“ Dabei ist die Blutgerinnung gestört, es bilden sich kleine Gerinnsel in den Blutgefäßen, wodurch Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. „Das führt dann zu einem Schock und der ist verantwortlich für den Tod der Patienten.“

Epidemie möglich – Pandemie unwahrscheinlich

Den Experten bereitete zuletzt vor allem ein Ausbruch in Äquatorialguinea Sorge, weil dort Fälle in einer Distanz von 150 Kilometern aufgetreten sind. Entscheidend ist, dass vermutlich Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden können. „Das ist aber der Schlüssel zum Erfolg bei der Eindämmung von solchen Epidemien“, sagt Becker. Entsprechend viele Ressourcen müssten mobilisiert werden, um Kontakte nachzuverfolgen. „Man muss jetzt wirklich aufpassen, dass sich nicht die Situation wie beim Ebola-Ausbruch im Kongo ergibt.“

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Die Ebolaausbrüche in den westafrikanischen Ländern Liberia, Sierra Leone und Guinea zwischen 2014 und 2016 und später im Kongo kamen recht plötzlich, weshalb die Forscher den Ausbruch des Marburg-Virus aufmerksam beobachten. „Wir können nicht sagen, wie das weitergeht – das ist das Problem“, sagt Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, dieser Redaktion. In den meisten Fällen seien Ausbrüche der Ebola- und Marburg-Viren kurz und selbstlimitierend. Aber die großen Ebola-Ausbrüche hätten gezeigt, „dass es auch anders kommen und gehen kann.“

Eine Epidemie ist demnach nicht auszuschließen. Das Überschwappen des Virus nach Europa im Sinne einer Pandemie hält Kremsner jedoch für unwahrscheinlich. „Die Gefahr, dass sich das Virus in Europa ausbreitet, ist klein“, bestätigt auch Becker diese Einschätzung. Zwar könnten vereinzelt Fälle nach Europa importiert werden, jedoch seien etwa Ebola-Fälle meist schnell entdeckt worden.

Impfstoff gegen Marburg-Virus in Aussicht

Das Marburg-Virus, das erstmals 1967 in der hessischen Kleinstadt von Versuchsaffen an Labormitarbeiter übertragen wurde, unterscheidet sich deutlich vom Coronavirus. „Der Unterschied ist, dass das Coronavirus durch die Luft übertragen wird und auch zu einem Zeitpunkt, wo die Leute gar nicht merken, dass sie infiziert sind“, so Becker. Anders verhalte es sich beim Marburg-Virus, bei dem Infizierte fast nur in der Zeit ansteckend sind, in der sie deutliche Symptome aufweisen. Entsprechend leichter sei es, mit Hygienemaßnahmen und Kontaktverfolgung einen Ausbruch einzudämmen.

Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO). © dpa | Anas Alkharboutli

Positive Signale kommen zudem aus der Forschung. Während bereits ein Impfstoff gegen einen Subytp des Ebola-Virus zugelassen ist, stehen inzwischen auch Vakzine gegen das Marburg-Virus in Aussicht. „Die Entwickler sind an Bord, die Protokolle für die klinischen Versuche sind fertig, die Experten und Spender sind bereit, sobald die nationale Regierung und die Forscher grünes Licht geben“, sagte dazu WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus zu Beginn letzten Jahres.