Berlin. Putins Russland darf beim ESC nicht mehr mitsingen. Der Kremlherrscher will Abhilfe schaffen – mit einem Wettbewerb aus der Mottenkiste.
Seit Russland die Ukraine überfallen hat, darf Moskau keine Talente mehr zum Eurovision Song Contest schicken. Die klaffende Lücke im russischen Kulturprogramm will Kremlherrscher Wladimir Putin jetzt schließen – und holt dafür einen Musikwettbewerb aus Sowjetzeiten aus der Mottenkiste. Die Intervision soll das bieten, was der ESC jährlich liefert, nur frei von westlichen Einflüssen.
Am Montag hat Putin ein Dekret unterzeichnet, das eine Wiederbelebung des in den 1960er Jahren gegründeten Musikwettbewerbs Intervision noch in diesem Jahr vorsieht. Das Gegenstück zum ESC dient dem Text zufolge der „Entwicklung internationaler kultureller und humanitärer Zusammenarbeit“ und soll an einem noch nicht bekannten Datum in Moskau und Umgebung stattfinden.
Putins ESC: „Echte Musik“ statt „falsche Werte“
Die russische Senatorin Lilija Gumerowa sagte laut einem Tass-Bericht vom Montag, bei der Intervision werde „echte Musik“ im Mittelpunkt stehen, statt „falscher Werte, die normalen Menschen nichts bedeuten“. Sie kritisierte den ESC unter anderem für den Auftritt der österreichischen Drag-Queen Conchita Wurst, die 2014 den ESC gewann.
Der Eurovision Song Contest ist in Europa auch bei der LGBTQIA+ Community sehr beliebt – viele Acts der bunt-kitschigen Show stammen aus der Szene. 2024 gewann der schweizer Mensch Nemo den Wettbewerb, eine non-binäre Person. Der ESC ist aber kein explizit queeres Event und versteht sich im Grunde als unpolitisch.
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Der Intervision-Wettbewerb wurde zu Zeiten des Kalten Krieges bis in die 1970er-Jahren vor allem unter Staaten der damaligen Sowjetunion ausgetragen. Den auch in Russland sehr beliebten ESC gewann Moskau zuletzt im Jahr 2008, mit Dima Bilan. Daneben gelangen noch je vier zweite und dritte Plätze. Umso schmerzhafter war für viele Russen der Ausschluss 2022 nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine.
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Intervision in Russland: Fast 20 Teilnehmer
Den Vorschlag zu einem Konkurrenzwettbewerb machte das russische Kulturministerium schon 2023. Laut Putins Kulturberater Michail Schwydkoi sollen bei der Premiere im Herbst 2025 rund 20 Länder teilnehmen. Thematisiert wurde der Wettbewerb auch bei den politischen Gesprächen zwischen Moskau und Peking. Wie Putin im vergangenen Jahr mitteilte, unterstützten die „chinesischen Freunde“ Russlands Idee der Gründung eines Gesangswettstreits unter dem Namen „Intervision“.
Vize-Regierungschef Dmitri Tschernyschenko wurde laut Kreml-Dekret zum Cheforganisator des Wettbewerbs ernannt. Im vergangenen Jahr hatte der Kreml laut der russischen Nachrichtenagentur Tass bekanntgegeben, dass „fast 20 Länder“ an dem Wettbewerb teilnehmen wollten. Zu diesen Ländern gehören demnach die Brics-Staaten sowie ehemalige Sowjetstaaten, die Russland bis heute politisch nahestehen.
Zur Brics-Gruppe gehören neben Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika auch Ägypten, Äthiopien, Iran, die Vereinigten Arabische Emirate und Indonesien.