Essen. Im Süden Frankreichs heben Forscher ein Tausende Jahre altes Grab aus. Ein darin liegender enthaupteter Mensch stellt sie vor Rätsel.

Im Süden Frankreichs machten Archäologen 2017 einen außergewöhnlichen Fund. In dem Ort Puisserguier, rund 80 Kilometer südwestlich von Montpellier, gruben sie das Grab einer Frau aus der späten Jungsteinzeit aus, die vor etwa 4500 bis 5500 Jahren gelebt hatte. Die Forscher entdeckten sie in einer bizarren Haltung: Ihr Kopf lag in ihrem Schoß und war ihr in ihre rechte Hand gelegt worden. War es Mord oder eine rituelle Bestattungspraxis?

Dazu haben Archäologen nun die Ergebnisse ihrer Untersuchung in einer neuen Studie veröffentlicht. „Diese Anordnung steht in krassem Gegensatz zur Positionierung des restlichen Körpers, die für eine neolithische Bestattung üblich ist“, heißt es darin. Das Skelett liegt auf dem Rücken, die Gliedmaßen sind gebeugt und leicht nach links geneigt, die Hände sind an die Brust gelegt.

Fund in Frankreich: Warum wurde die Frau aus der Jungsteinzeit enthauptet?

Für die Forscher stellte sich dadurch die zentrale Frage, wann und wie der Kopf vom Rest des Körpers der Frau entfernt wurde. Wurde er vielleicht erst in einer späteren Epoche entfernt und in die makabere Position gebracht? Laut der in der Fachzeitschrift „Antiquity“ veröffentlichten Studie sei die Frau jedenfalls höchstwahrscheinlich zum Todeszeitpunkt oder kurz danach enthauptet worden.

Obwohl in Frankreich fast völlig unbekannt, glauben die Archäologen nach einer gründlichen Untersuchung, dass es sich bei der Enthauptung um eine Bestattungspraxis und um keinen Mord handelt. Aus anderen prähistorischen Begräbnisstätten außerhalb Frankreichs dokumentieren Forscher bereits diese für heutige Menschen fragwürdige Art, die Toten zu bestatten.

Das aufgedeckte Grab aus der Jungsteinzeit: Ein Skelett hält seinen Kopf in der Hand.
Die Tote war zu ihrem Todeszeitpunkt zwischen 20 und 49 Jahre alt. © R. Marsac / Antiquity

Auch spannend: Archäologen legen 7000 Jahre alten Sensationsfund frei

Jungsteinzeit: Menschen glaubten an Existenz von Seele im Schädel

In der Jungsteinzeit, dem Neolithikum (10.000 v. Chr. bis 2200 v. Chr.), wurde das Enthaupten von Toten vermutlich aus religiösen oder symbolischen Gründen praktiziert. Forscher glauben, dass der Kopf in vielen prähistorischen Kulturen als Sitz der Seele oder als Quelle spiritueller Kraft galt. Das Abtrennen des Schädels vom Körper könnte dazu gedient haben, den Verstorbenen in besonderer Weise zu ehren oder ihre spirituelle Präsenz im Leben der Gemeinschaft zu bewahren.

Manchmal wurden die Schädel sogar in Wohnbereichen oder Kultstätten aufbewahrt, was darauf hindeutet, dass sie als Ahnen verehrt wurden. In anderen Fällen könnten die Enthauptungen jedoch auch Zeichen von Konflikten oder Opferungen gewesen sein, die der Gemeinschaft Schutz oder Fruchtbarkeit bringen sollten.

  • Aktuelle Nachrichten aufs Handy? Hier geht es zur neuen WAZ-News-App – für Android und iOS.
  • Die WAZ auch bei Social Media – ob WhatsApp, Instagram oder Facebook.
  • Sie mögen den Tag kompakt zusammengefasst? Dann sind Sie beim täglichen WAZ-Newsletter richtig – hier entlang.