Berlin. Selbst in der #MeToo-Ära fällt der „Fall Combs“ aus dem Rahmen. Anwälte kündigten 120 Klagen gegen den Rapper wegen sexueller Übergriffe an.
So schnell wird Rapper Sean „Diddy” Combs wohl kaum aus der Untersuchungshaft in Brooklyn entlassen. Die Anwälte Tony Buzbee und Andrew Van Arsdale kündigten am Dienstag an, in New York, Los Angeles und Miami weitere etwa 120 Klagen wegen sexueller Übergriffe einzureichen. Das Anwaltsteam hat schon eine Reihe von vergleichbaren Fällen durchgefochten.
„Das größte Geheimnis der Unterhaltungsindustrie, das eigentlich gar kein Geheimnis war, ist endlich der Welt enthüllt worden“, sagte Buzbee auf einer Pressekonferenz in Houston. „Die Mauer des Schweigens“ sei gebrochen. Tatsächlich türmt sich da eine Klagewelle auf, die ungewöhnlich hoch ist. Laut den Anwälten sind die mutmaßlichen Opfer:
- zu gleichen Teilen Männer und Frauen;
- zwischen neun und 38 Jahre alt;
- und angeblich wurden viele Übergriffe gefilmt.
Nutzte er seine Machtposition aus?
Nach Combs Verhaftung Mitte September hatte die Anwaltskanzlei potenzielle Opfer aufgefordert, sich zu melden. Binnen zehn Tage erhielt sie mehr als 3.000 Antworten. Daraus wurden über 100 Fälle herausdestilliert; die am glaubwürdigsten erschienen. Die Übergriffe sollen sich über 20 Jahre erstreckt haben, reichen bis in die frühen 1990er Jahre und bis ins Jahr 2023 zurück.
Viele der mutmaßlichen Opfer suchten Jobs in der Musikindustrie, als sie zu Combs „Veranstaltungen“ eingeladen wurden. Nun beschuldigten sie ihn, seinen Reichtum, Einfluss und Macht ausgenutzt zu haben, um sie zu verführen und zu sexuellen Handlungen zu zwingen.
Anwälte kündigen weitere Vorwürfe an
Van Arsdale kündigte an, er werde eine Reihe von Mitbeklagten benennen, auch „bekannte Namen“: Familienmitglieder, Mitarbeiter Combs‘, aber auch der Plattenfirmen. Konkreter wurde der Anwalt nicht.
Viele der Klagen enthalten vergleichbare Erzählungen von Drogenkonsum- und handel, zumeist auf Partys. Zu den Klägern gehören zwei frühere Künstlerinnen von Combs, Casandra Ventura (Künstlername Cassie) und Dawn Richard, sowie der Produzent Rodney „Lil Rod“ Jones.
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14-Seitige Anklageschrift
Gegen Combs liegt längst eine 14-seitige Anklageschrift vor. Bei Razzien fand die Polizei bei ihm Waffen und Munition, Betäubungsmittel und „mehr als 1.000 Flaschen Babyöl und Gleitmittel“, die er angeblich für seine illegalen Sexpartys verwendete. Er nannte sie „Freak Offs“.
Die Anwälte des Musikers hatten zuletzt beantragt, Combs bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß zu setzen. Das dürfte jetzt schwerer denn je werden. Im Fall einer Verurteilung droht ihm schlimmstenfalls eine lebenslange Haftstrafe.