Köln. Ein Höhlengemälde in Südafrika soll ein Tier zeigen, das sogar noch älter als die Dinosaurier ist. Woher wussten die Menschen von ihm?

Kryptozoologie heißt die Pseudowissenschaft, die sich mit der Beweissuche nach mythischen Wesen wie dem Monster von Loch Ness, Bigfoot oder Drachen beschäftigt. Beschreibungen von fantastischen Wesen in Sagen und Märchen seien nur der Beleg für Tiere, die sich noch irgendwo in einem fernen Winkel der Erde verstecken. In Südafrika rätseln Wissenschaftler seit der Entdeckung eines Höhlengemäldes, ob das dargestellte Wesen wirklich echt sein könnte.

Der „bananenförmige“ Körper und die Stoßzähne erinnern an ein Walross, das allerdings zu keiner Zeit das afrikanische Festland bewohnt hat. Kryptozoologen glauben darin, einen Säbelzahntiger zu erkennen. Das wäre ebenfalls eine Sensation, starben Säbelzahntiger doch vor rund 10.000 Jahren aus, während das Bild um einiges jünger ist. Paläontologen haben jetzt eine nicht minder spannende Erklärung für das Tier gefunden.

Das Gemälde auf dem Stein einer Höhle in Südafrika ist kaum mehr zu erkennen.
Das Gemälde auf dem Stein einer Höhle in Südafrika ist kaum mehr zu erkennen. © Dr. Julien Benoit / PLOS ONE

Erschaffer des Höhlengemäldes lebten inmitten von Fossilien

Julien Benoit, Paläontologe an der Universität Witwatersrand, schreibt bei „The Conversation“ über seine Forschung nach dem Ursprung des Motivs. Die Höhle mit dem Bild in der südafrikanischen Karoo-Halbwüste, die von dem indigenen Volk der San bewohnt wurde. Benoit berichtet, wie er und andere Forscher in der Gegend zahlreiche Fossilien von Dinosauriern und ihren Vorgängern fanden.

So seien auch die Schädel, Knochen und Zähne, die die San umgaben, in deren Kunst eingeflossen. „Die San verfügten über ein profundes Wissen über ihre Umwelt, das sie meisterhaft in ihren Felsmalereien darstellten“, schreibt Benoit. Unter anderem malten sie Dinosaurierabdrücke an Höhlenwände, berichtet Benoit. Auch bei dem mysteriösen Wandgemälde könnte es sich um eines der lange ausgestorbenen Reptilien handeln: die Dicynodontia.

Die Arten der Dicynodontia-Gattung sind Pflanzenfresser, deren Fossilien in der wissenschaftlichten Literatur zum ersten Mal 1845 beschrieben wurden. Die San lebten seit Jahrtausenden in der Fossiliengegend, bis sie Karoo im Jahr 1835 verließen. Das Höhlengemälde ist demnach mindestens so alt, womit die San mindestens zehn Jahre vor den westlichen Wissenschaftlern die Art der Dicynodonten abbildeten.

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Forscher erstaunt: Indigene von Südafrika betrieben „Paläontologie“

Benoit schlussfolgert, dass es eine Art völlig vergessene, indigene „Paläontologie“ in der Karoo-Region gegeben haben müsse. Damit hänge „auch ein gewisses Maß an vorwissenschaftlicher Forschung über Fossilien“ zusammen. Auch hätten die San versucht, ausgestorbene Tiere zu rekonstruieren, schon bevor westliche Wissenschaftler dies taten.

Die Dycnodonton, Vorfahren der heutigen Säugetiere, lebten vor 265 Millionen bis 200 Millionen Jahren sogar schon vor den Dinosauriern. Die unterschiedlichen Arten der Dycnodonton unterschieden sich stark in ihrer Größe. So wurden Arten entdeckt, die so groß wie eine Maus oder ein Nilpferd waren. In der Karoo-Gegend, wo sie die dominanten Lebewesen waren, liegen Millionen ihrer Fossilien verstreut.

Besonders die oftmals sehr großen Schädel mit ihren charakteristischen Stoßzähnen würden auffallen, erklärt Benoit. Demnach gibt es einen Mythos der San, der von „gewaltigen Bestien“ erzählt, die einst den Süden Afrikas durchstreiften. Die Geschichte könnte durchaus durch die Fossilien der Dycnodonton entstanden sein, mutmaßt Benoit.

Die Höhlenmalerei weist starke Ähnlichkeiten zu einem Walross auf. Die Künstler ließen sich wahrscheinlich eher von den Fossilien der urzeitlichen Dicynodonten inspirieren.
Die Höhlenmalerei weist starke Ähnlichkeiten zu einem Walross auf. Die Künstler ließen sich wahrscheinlich eher von den Fossilien der urzeitlichen Dicynodonten inspirieren. © Dr. Julien Benoit / PLOS ONE

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Mysteriöse Zeichnung: Bananenform der Abbildung passt zu „Todespose“

Für seine auf der Wissenschaftsplattform „PLOS One“ veröffentliche Untersuchung verglich Benoit die Höhlenmalerei mit anderen Tieren der Gegend, die auch auffällige Zähne besitzen. Weil die Stoßzähne nach unten zeigen, schließe das Elefanten, Schweine oder Warzenschweine als Vorlage aus. In der unmittelbaren Nähe des Wandgemäldes fand Benoit jedoch Schädel und Knochen der Dycnodonton, deren Stoßzähne tatsächlich nach unten zeigen.

Der bananenförmige Körper des Wesens erinnere ebenfalls an die typische „Todespose“ vieler Fossilien. Auch weise der mit Punkten bemalte Körper Überschneidungen mit Dycnodonton-Fossilien aus dem Meer auf, die ein ähnliches Muster besitzen.

Für die San waren Tiere mit Stoßzähnen wohl „Regentiere“. Diese spielten in Regen-Ritualen eine wichtige Rolle. Laut Benoit könnten den Fossilien außerdem magische Fähigkeiten zugesprochen worden sein.

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