Pars. Wer wurde in einem Bleisarg unter der Kathedrale Notre-Dame vergraben? Laut einer neuen Untersuchung könnte es eine Berühmtheit sein.
Der zerstörerische Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame war ein Schock für Frankreich. Doch für Archäologen stellte er sich auch als ein Glücksfall heraus. Bei Ausgrabungen während der Restaurierungsarbeiten stießen sie 2022 auf zwei Sarkophage aus Blei, die unter dem Wahrzeichen der französischen Hauptstadt über Jahrhunderte lagen. Um wen handelt es sich bei den so ungewöhnlich Bestatteten?
Bleisärge waren in Frankreich einer reichen Elite vorbehalten, da sie den Verwesungsprozess besonders stark verlangsamten. Deshalb vermuteten die Forscher sofort, dass die Toten zu Lebzeiten wohlhabende Personen gewesen sein müssen. Eine Messingplatte an einem der Sarkophage verriet die Identität zumindest eines der Toten: Antoine de la Porte. De la Porte war ein Kleriker, der sich mit Bauprojekten um Notre-Dame verdient gemacht hatte und 1710 im Alter von 83 Jahren verstarb.
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Mysteriöser Sarg: Zweiter Toter war kein Unbekannter der französischen Geschichte
Der andere Tote war deutlich jünger und wahrscheinlich adeliger Herkunft, wie eine Analyse des Grabs ergab. Archäologen könnte es nun gelungen sein, das Geheimnis um ihn zu lüften. Demnach sei er kein Unbekannter der französischen Geschichte, berichten dortige Medien.
Bei dem Toten handelt es sich wahrscheinlich um den Dichter Joachim du Bellay, einer der bedeutendsten französischen Renaissance-Lyriker des 16. Jahrhunderts. Er wurde auf den Wunsch seines Onkels, einem Kardinal, wohl nach seinem Tod 1560 unter dem Querschiff der Kathedrale begraben. Das haben Archäologen des Nationalen Instituts für präventive archäologische Forschung (Inrap) auf einer Pressekonferenz am Dienstag bekannt gegeben.
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Archäologie: Besondere Knochenverformung durchs Reiten brachte entscheidenden Hinweis
Durch eine forensische Untersuchung am Universitätskrankenhaus von Toulouse erfuhren die Forscher mehr über das Leben und den Tod des Mannes. Sein Schädel war zersägt, das Brustbein gebrochen, was Anzeichen einer Obduktion vor seiner Einbalsamierung seien. Außerdem weise die Verformung seines Hüftknochens darauf hin, dass er zu seinen Lebzeiten viel auf einem Pferd ritt. Wegen dieser Auffälligkeit gab das Team ihm den Spitznamen „Pferdemann“. Eine Eigenschaft, die auch auf den leidenschaftlichen Reiter Joachim du Bellay zutraf.
An den Knochen des Toten stellten die Forensiker außerdem eine seltene Krankheit fest: eine seltenen Form von Tuberkulose, die für eine chronische Gehirnhautentzündung sorgte. Berichte, wonach du Bellay von Paris nach Rom auf einem Pferd ritt, klingen mit diesem Krankheitsbild umso erstaunlicher. Er sei an der Reise fast gestorben, sagte der Eric Crubézy, ein Biologie-Anthropologe, laut „Euronews“ auf der Pressekonferenz.
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Forscher zweifelt an der Identität des Toten
Du Bellay wurde 1522 in der im Nordwesten Frankreichs liegenden Provinz Anjou geboren. Dieser Umstand sorgt unter einigen der beteiligten Forschern für Skepsis, ob es sich bei dem Bestatteten wirklich um Du Bellay handelt. Denn eine Isotopenanalyse der menschlichen Überreste ergab, dass die Person vor allem in oder um Paris lebte, gibt Christophe Besnier, einer der Verantwortlichen für die Ausgrabungen in Notre-Dame „France24“ zufolge zu bedenken.
Dominique Garcia, Präsident von Inrap, kontert auf der Pressekonferenz: „Was können wir noch tun? Finden Sie die Zahnbürste, um zu überprüfen, ob die DNA übereinstimmt? Sein Alter und das Krankheitsbild alleine biete eine bemerkenswerte statistische Übereinstimmung“ , stellt der Experte fest. So verstarb der Tote in seinen Dreißigern, du Bellay selbst wurde 37 Jahre alt. Fünfhundert Jahre nach seinem Tod könnte das Rätsel also gelöst sein.
Joachim du Bellay: Kämpfer für die französische Sprache
Joachim du Bellay war Mitbegründer der Dichtergruppe und literarischen Bewegung La Pléiade. Er ist besonders bekannt für seine Sonett-Sammlung „Les Regrets“, die er während seines Aufenthalts in Rom verfasste. Die Gedichte drücken seine Sehnsucht nach Frankreich und seine Enttäuschung über die Politik und das Leben in Rom aus.
Ein weiteres wichtiges Werk von du Bellay ist L‘Olive, eine Sammlung, die von der italienischen Dichtung inspiriert wurde. Du Bellay setzte sich in seinen Schriften für die Entwicklung der französischen Sprache in der Literatur ein und trug maßgeblich zur Förderung der französischen Poesie bei.
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