Berlin. Die Berliner Charité genießt einen exzellenten Ruf. Eine Recherche offenbart jedoch schlimme Zustände. Die Charité reagiert verschnupft.

Es ist erst ein paar Monate her, da durfte sich der Vorstand der Berliner Charité wieder einmal selbst feiern. Zum wiederholten Male hatte das US-Magazin „Newsweek“ das Klinikum zu einem der zehn besten der Welt gekürt. Bei einem Vergleich von 2400 Krankenhäusern belegte die Charité einen exzellenten sechsten Platz weltweit – bestes Klinikum in Deutschland, bestes Klinikum in Europa. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, rühmte die hohe Qualität der Forschung und eine Patientenversorgung „auf höchstem Niveau“.

Gerade damit ist es nun aber offenbar nicht weit her, wenn man zwei bisher unveröffentlichten Umfragen unter Ärzten und Medizinstudenten an der Charité Glauben schenkt, über die RTL und der „Stern“ berichten. An der internen Umfrage zur Versorgungsqualität nahmen demnach mehr als 200 Mediziner mehrerer Standorte und Kliniken teil. Befragt wurden sowohl Berufsanfänger als auch Oberärztinnen und Oberärzte.

Schlechte Noten für die Patientenversorgung

Das Ergebnis: verheerend! 44 Prozent der Befragten bewerteten die Qualität der Patientenversorgung unter den aktuellen Arbeitsbedingungen mit „mangelhaft“, acht Prozent gar mit „ungenügend“. Mit „ausreichend“ antworteten 29 Prozent. Ein einziger vergab die Note „sehr gut“.

In einer zweiten Umfrage hatte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund mehr als 200 angehende Ärztinnen und Ärzte zu ihren Erfahrungen an Berliner Kliniken befragt. Etwa die Hälfte arbeitete auf einer Station der Charité. Gut zwei Drittel gaben an, sie würden die Charité anderen Studenten nicht als Lehrkrankenhaus empfehlen. Bei den anderen war es genau umgekehrt. Gut zwei Drittel der Studenten empfahlen ihr Krankenhaus. Nur zehn Prozent der befragten Medizinstudenten fühlten sich durch das praktische Jahr „gut vorbereitet“ auf den Berufsalltag. 

Charité nennt Vorwürfe „ungerechtfertigt“

Der Vorstandsvorsitzende des Marburger Bundes Landesverbandes Berlin/Brandenburg, Peter Bobbert, nannte das Ergebnis „erschreckend“, es könne „nicht schöngeredet“ werden. Ganz anders fiel die Reaktion der Berliner Charité aus. Die Vorwürfe seien „in wesentlichen Punkten ungerechtfertigt“, so das Klinikum. „Der Artikel unterschlägt maßgebliche Informationen, verallgemeinert unangemessen und ordnet Zusammenhänge teils missverständlich ein. Dadurch entsteht ein falsches Bild der Realität in unserer Klinik“, heißt es weiter.

Auf den Stationen der Charité sei eine Versorgung der Patienten gemäß einschlägigen Richtlinien und medizinischen Notwendigkeiten gewährleistet. Wie gut Patienten versorgt würden, belegten unabhängige nationale und internationale Bewertungen der Krankenversorgung, bei denen die Charité jährlich Spitzenplätze einnehme. Auch regelmäßig durchgeführte Patientenzufriedenheitsmessungen zeigten eine sehr hohe Zufriedenheit mit der ärztlichen und pflegerischen Versorgung und Leistung der Charité. Eine strukturelle Überlastung von Ärztinnen und Ärzten sei laut Charité nicht gegeben. Die Berichterstattung rücke die Klinik und die Arbeit der Mitarbeitenden in ein falsches Licht.

Die Charité beschäftigt aktuell über 23.000 Mitarbeitende. In mehr als 100 Kliniken und Instituten werden jährlich über 900.000 Behandlungen durchgeführt und über 9.000 Studierende ausgebildet. tok