Der schöne und eiskalte Mann, der sich Alain Delon nannte
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Berlin. Vom mysteriösen Lover bis zum kalten Killer – Alain Delon beherrschte alle Rollen. Jetzt ist der Schauspieler gestorben.
Die wichtigste Frage im Film „Der eiskalte Engel“ betraf die Schlussszene: Sollte die Hauptfigur mit einem Lächeln auf den Lippen sterben? Nach tagelangen Beratungen beschloss Regisseur Jean-Pierre Melville, dass Alain Delon keine Gefühlsregung zeigen sollte, wenn er in dem Thriller von Polizisten gestellt und erschossen wird.
„Alain Delon lächelt nie“, hätte der französische Schauspieler von sich sagen können. Delon sprach von sich gerne in der dritten Person. Er war sich seines Wertes bewusst: Er prägte von 1960 bis 1980 den französischen Film, der damals nicht nur wegen der Nouvelle Vague in Höchstform war.
Dabei war der charismatische und schöne Franzose überhaupt nicht für seine Lebensrolle prädestiniert gewesen. In einem Vorort von Paris in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen – sein Vater betrieb ein Dorfkino – , wurde er mehrfach der Schule verwiesen, bis er sie zuletzt selber abbrach. Er selbst wuchs nach der Trennung seiner Eltern bei einer Pflegemutter auf und verbrachte mehrere Jahre als Schüler in Internaten. Er arbeitete später in einer Metzgerei, nahm als Marinesoldat am Indochinakrieg teil, wo er sich mit dem französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen anfreundete. Zurück in Paris, kam er über eine Geliebte mit der Filmbranche in Berührung und wurde von einem Talentsucher entdeckt.
Alain Delons Durchbruch: Von Tom Ripley zum internationalen Star
Mit 24 bekam er seine erste große Rolle: In „Nur die Sonne war Zeuge“ spielte er nach der Buchvorlage von Patricia Highsmith den talentierten Tom Ripley, der auf einer Segeljacht einen reichen Freund umbringt, um dann in seine Identität zu schlüpfen. Alles, was Delon ausmachte, war schon da: der magnetische Blick aus den blauen Augen, der Latin-Lover-Touch und ein wortscheuer Charakter, hinter dem sich eine bisweilen unheilvolle Leidenschaft erahnen ließ.
Der von René Clément verfilmte Thriller machte Delon über Frankreich hinaus bekannt. Noch im gleichen Jahr, 1960, drehte er für den italienischen Neorealisten Luchino Visconti das Schwarzweiß-Drama „Rocco und seine Brüder“, drei Jahre später für den gleichen Regisseur den Klassiker „Der Leopard“.
Der Frauenschwarm: Die Beziehungen von Alain Delon
Privat durchlebte der Frauenschwarm mit Romy Schneider eine vierjährige Glamour-Beziehung. Sie endete, heißt es in einer Romy Schneider-Biografie, als sie aus Hollywood zurückkehrt und einen Strauß roter Rosen mit einem Zettel in der von Delon bereits verlassenen gemeinsamen Wohnung vorfindet, auf dem gestanden haben soll: „Ich bin mit Nathalie nach Mexiko, alles Gute.“ Schneiders Biograf zitiert Romys Mutter Magda mit den Worten: „Delon war grausam und zärtlich in einem Atemzug. Darum liebte Romy ihn abgöttisch.“
Die französische Schauspielerin Nathalie Canovas heiratete Delon und sie bekamen Sohn Anthony (59), der auch Schauspieler ist. Romy Schneider und er blieben sich freundschaftlich verbunden und traten Jahre nach ihrer Trennung zusammen gemeinsam im Film „Der Swimmingpool“ auf – wobei Delon inmitten des Traumdekors von Saint-Tropez wieder einen Mörder in einem Dreiecksverhältnis gibt.
Zu jener Zeit hatte er mit der deutschen Sängerin Nico eine kurze Liaison, die in die Geburt eines unehelichen Sohnes mündete. Delon erkannte ihn nie an und verweigerte stur jede DNA-Probe, was ihn viel Sympathie kostete. Der Junge wurde trotz der verweigerten Anerkennung von Delons Mutter Edith Boulogne adoptiert und großgezogen.
Im Jahr 1990 kam seine Tochter Anouchka auf die Welt, vier Jahre später sein Sohn Alain-Fabien, ihre Mutter ist das ehemalige niederländische Model Rosalie van Breemen.
Mit der Schauspielerin Mireille Darc lebte Delon 15 Jahre zusammen; auf der Leinwand verfestigte sich sein Image eines kalten Killers in Gangsterfilmen wie „Der Clan der Sizilianer“, „Borsalino“, „Vier im roten Kreis“ oder „Scorpio“. Delon war sich auch nicht zu schade, in den USA in internationalen Blockbustern wie „Zorro“ oder „Airport ’80 – Die Concorde“ zu spielen.
Alain Delons Rückkehr nach Paris: Sein schauspielerischer Höhepunkt in „Monsieur Klein“
Zurück aus Hollywood, bewies er in Paris, was in ihm als Charakterdarsteller steckte. In der Simenon-Adaptation „Der Sträfling und die Witwe“ zeigte sich 1971, dass die ungreifbaren, nur scheinbar gefühlskalten Delon-Figuren perfekt zum provinziellen Universum des Maigret-Schöpfers passen.
Seinen schauspielerischen Höhepunkt erreichte Delon wohl 1976 in „Monsieur Klein“ von Joseph Losey. Darin spielte er einen zynischen Elsässer, der unter der deutschen Besatzung des Zweiten Weltkriegs alles tut, um nicht als Jude zu gelten. Damit nährt er aber nur noch den Verdacht der Polizei. Seine letzte Fahrt führt ins Konzentrationslager. Der Film lebt ganz von der Figur Kleins, die in ihrer kleinbürgerlichen Banalität eine Lebensechtheit erhält, wie sie selten im Kino zu sehen ist.
Immerhin vermochte sich Delon in seinem Spätwerk auch über sich selbst lustig zu machen: In einer Asterix-Verfilmung parodierte er sich als Cäsar, indem er sich mit „Ave mich“ grüßte. Im richtigen Leben outete sich Delon als Anhänger eines anderen Kaisers – Napoleons – und sprach Marine Le Pen seine Unterstützung aus.
Streit in der Familie: Alains unwürdiger Abgang
1985 zog Delon in die Schweiz, wo er vierzehn Jahre später das Bürgerrecht erhielt. In seiner Seevilla bei Genf sprach er sich auch für die Sterbehilfe aus, die in Frankreich illegal ist. Später zog er sich in das französische Dorf Douchy südlich von Paris zurück. Dort lebte er mit mit einer unterirdischen Gemäldegalerie, 40 Hunden und einer Waffensammlung.
Seine japanische Pflegerin behauptete, sie sei auch seine Liebhaberin; die drei anerkannten Kinder Delons zerrten sie aber 2023 wegen angeblicher Ausnutzung des greisen Schauspielers vor Gericht. Anfangs 2024 stritten sein Sohn Anthony und seine Tochter Anouchka über die Medien und vor Gericht um das Erbe. Der vielleicht größte französische Schauspieler stand unter vormundschaftlicher Aufsicht. Seine Angehörigen zufolge verstarb er „friedlich“ in seinem Bett.
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