Athen. Die Tat sorgt in Griechenland für Aufsehen: Apostolos Lytras ist landesweit als Strafverteidiger bekannt – nun braucht er selbst einen.
Apostolos Lytras war schon viele Male im Gefängnis Korydallos bei Piräus. Lytras ist einer der bekanntesten Strafverteidiger Griechenlands. Als Anwalt besuchte er häufig Mandanten in der Untersuchungshaft. Jetzt erlebt der 51-Jährige das berüchtigte Gefängnis aus einer neuen Perspektive: Seit dem vergangenen Wochenende sitzt er in Korydallos in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, seine 37 Jahre alte Ehefrau Sophia Polyzogopoulou vergangene Woche in einem häuslichen Streit brutal zusammengeschlagen zu haben.
Die erheblich verletzte und stark blutende Frau flehte Medienberichten zufolge ihren Mann an, sie in ein Krankenhaus zu bringen. Doch der soll sich zunächst geweigert haben. Erst als das Opfer versprach, sie werde den Ärzten sagen, sie sei eine Treppe hinuntergefallen, fuhr der Anwalt seine Frau in die Notaufnahme einer Privatklinik. Der diensthabende Arzt erkannte schnell, dass die Verletzungen nicht von einem Treppensturz stammen konnten – und informierte die Polizei.
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So bestimmt es ein kürzlich in Kraft getretenes Gesetz. Wenn Ärzte den Verdacht auf häusliche Gewalt haben, sind sie nicht mehr an ihre Schweigepflicht gebunden, sondern müssen Polizei oder Justiz einschalten. Lytras wurde festgenommen. Er gestand die Tat. Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter beschlossen einvernehmlich, ihn auf freien Fuß zu setzen – mit der Auflage, sofort aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und sich seiner Frau nicht mehr zu nähern.
Seit Jahresbeginn: Sieben Frauen von (Ex-)Partnern ermordet
Weil er gegen die Auflagen schon tags darauf verstoßen haben soll, erließ ein Gericht am vergangenen Donnerstag Haftbefehl gegen den Strafverteidiger. „Ich bin ein Häufchen Elend – psychisch und physisch“, sagte Polyzogopoulou laut griechischen Medien in einer ersten Wortmeldung. „Mir geht es nicht gut. Wie könnte es auch? Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten.“ Die brutale Tat macht seit Tagen in Griechenland Schlagzeilen. Aber sie ist alles andere als ein Einzelfall.
Michalis Chrysochoidis, Minister für Bürgerschutz, berichtete jetzt in einem TV-Interview, dass in den ersten fünf Monaten dieses Jahres der Polizei rund 5300 Fälle von häuslicher Gewalt gemeldet wurden. Das sind im Durchschnitt etwa 35 Taten pro Tag. An manchen Tagen schnellt die Zahl nach oben. Am vergangenen Mittwoch waren es 90. Allein diese Zahlen sind erschreckend. Fachleute rechnen aber mit einer sehr hohen Dunkelziffer, weil die meisten Fälle gar nicht der Polizei gemeldet werden.
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Rund 5000 mutmaßliche Täter wurden in den ersten fünf Monaten festgenommen, so der Minister. Seit Jahresbeginn wurden in Griechenland mindestens sieben Frauen von ihren Partnern oder früheren Partnern ermordet. Um die Opfer von häuslicher Gewalt besser zu schützen, hat Griechenland im Mai landesweit den Panik-Knopf eingeführt, eine App, die von der Polizei auf dem Smartphone installiert wird. Mit einem Knopfdruck kann man in einer Notsituation die Polizei alarmieren. Die weiß dann sofort, von wem und woher genau der Alarm kommt.
Griechenland hat zum Schutz für Opfer „Panik-Knopf“ eingeführt
„Mehrere tausend Personen“ hätten den Panik-Knopf bereits installiert, sagt Bürgerschutzminister Chrysochiodis. Jeden Tag werde der Notruf etwa zwanzig Mal ausgelöst. Die Polizei unterhält im ganzen Land ein Netz von „Safe Houses“ – sicheren Wohnungen, in denen Opfer von häuslicher Gewalt Zuflucht finden. Justizminister Giorgos Floridis kündigte zudem ein neues Gesetzespaket an, das die Strafen für häusliche Gewalt erheblich verschärft.
Die Gesetzesänderung sieht unter anderem vor, dass Gewalttäter grundsätzlich in Untersuchungshaft kommen. Nur in begründeten Ausnahmefällen dürfen die Beschuldigten im Hausarrest bleiben – etwa mit einer elektronischen Fußfessel. Um die Opfer zu schützen, müssen sie im Prozess gegen den oder die Täter nicht zwingend persönlich erscheinen. Es reicht, wenn ihre Aussage verlesen wird.
Strafen wegen häuslicher Gewalt müssen künftig in voller Länge verbüßt werden, es gibt keine Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung. „Oberste Priorität hat der Schutz der Opfer“, sagt Justizminister Floridis. Er will jetzt den Gesetzentwurf „so schnell wie möglich“ ins Parlament bringen.
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