Berlin/Florida. Diesen Tag am Strand wird Chris Pospisil nie vergessen: Beim, Surfen wurde er von einem Hai gebissen. Die Folgen spürt er noch immer.
- Der Surfer Chris Pospisil wird von einem Hai attackiert
- Das Tier verletzt den 21-Jährigen schwer
- Wie ihn der Angriff verändert hat
Rasiermesserscharfe Zähne, die aus dem Nichts auftauchen und fest zubeißen – spätestens seit dem 1975 Filmklassiker „Der weiße Hai“ spielen Haie die Hauptrolle in so manchen Alpträumen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit geradezu verschwindend gering, von einem der Raubfische gebissen zu werden. Trotzdem wurde dieser Alptraum für Chris Pospisil zur Realität.
Haie im Wasser sind für den Sufer nicht ungewöhnlich
14. Juli 2023. Eigentlich war es ein normaler Tag. Der damals 21-jährige Chris Pospisil und sein Freund Reece Redish fuhren schon früh an den Strand von New Smyrna Beach, Florida, um zu surfen. Sobald sie im Wasser waren, sei ihnen auch schon der erste Hai begegnet, für die beiden Surfer war das jedoch kein Grund zur Sorge. Vor allem in New Smyrna Beach sähe man die Raubfische häufig, so Chris Pospisil. „Fast jedes Mal, wenn ich dort surfe, sehe ich mindestens einen“, erklärt Chris. Das sei der Ozean, die Tiere leben in den Gewässern, als Surfer gewöhne man sich daran, sagt der heute 22-Jährige.
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Die beiden Freunde surften stundenlang, machten zum Mittag eine kurze Pause und entschieden sich dann, wieder ins Wasser zu gehen. Doch der Tag sollte eine andere Wendung nehmen. „Ich hatte dieses seltsame Bauchgefühl. Es war verrückt, ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr im Wasser sein sollte“, erinnert sich Chris. Er ignorierte es, sagte sich, dass er sich keine Sorgen machen brauche, schließlich surfe er fast täglich an dem Strand. Ein paar Minuten später wollte Chris dann doch aus dem Wasser – als der Hai zubiss.
Haiangriff: Spinnerhai beißt zu und zieht Surfer unter Wasser
Chris saß auf seinem Surfbrett, als das Wasser unter ihm trüb wurde und er nach links schaute. „Ich sah seine Flosse, seine Zähne und seinen Maul“, erinnert sich er 22-Jährige. „Er hat mir in den Fuß gebissen, dann riss er mich von meinem Brett und zog mich unter Wasser.“ Der Surfer trat nach dem Tier, das ihn direkt losließ, und tauchte wieder auf. Sofort rief er nach seinem Freund. „Ich habe geschrien: ‚Es hat mich gebissen, es hat mich gebissen‘.“
Danach habe er alles im Tunnelblick gesehen: „Ich konnte meinen Fuß nicht spüren, ich wusste nur, dass ich sofort aus dem Wasser musste.“ Reece habe ihm geholfen, zurück an den Strand zu kommen und alarmierte die Bademeister. „Bis dahin habe ich meinen Fuß nicht angeguckt, ich wollte nicht. Ich wusste, dass es schlimm ist“, erzählt Chris weiter, „dann saß ich im seichten Wasser, um mich herum eine Blutlache. Mein Fuß baumelte einfach runter, er war wie aufgespalten. Ich konnte meinen Knochen sehen und eine kleine Arterie hing raus und Blut spritzte.“ Der junge Surfer war geschockt, realisierte noch nicht, wie schwer die Verletzung war. „Ich war wie betäubt, ich dachte nur: ‚Wow, das ist gerade wirklich passiert‘.“
Florida als Hauptstadt der Haiangriffe
Chris Pospisil wurde von einem Spinnerhai gebissen. Die Beute von Spinnerhaien sind vorwiegend Fische, vorzugsweise Schwarmfische. Sie jagen, indem sie schnell innerhalb eines Fischschwarms aufsteigen und drehend nach allen Seiten schnappen, dabei springen sie oft aus dem Wasser. Spinnerhaie werden durchschnittlich 195 cm lang und haben eine spitze Schnauze. Die Art ist beinahe weltweit verbreitet.
Laut der Datenbank für weltweite Haiangriffe (ISAF) des Florida Museum of Natural History wurden 2023 nur 69 unprovozierte Haibisse gemeldet. Die Zahl bewegt sich im gewöhnlichen Rahmen. Als unprovozierter Biss werden die Angriffe eingestuft, bei dem ein Hai in seinem natürlichen Lebensraum einen Menschen ohne vorherige Provokation beißt.
Mit 52 Prozent verzeichnet die USA auch im Jahr 2023 die meisten unprovozierten Haiangriffe. Florida hatte auch vergangenes Jahr wieder weltweit die meisten Vorfälle (16). Der US-Bundesstaat führt schon seit längerem die Liste mit den meisten Haibissen an. 50 Prozent der Angriffe in Florida ereigneten sich im Volusia County, in dem auch New Smyrna Beach liegt.
Haizahn im Fußknochen gefunden
Die Bademeister fuhren Chris knapp drei Kilometer bis zum nächsten Strandaufgang, wo die Rettungskräfte auf ihn warteten. „Zu dem Zeitpunkt habe ich schon so viel Blut verloren, dass ich kämpfen musste, um bei Bewusstsein zu bleiben. Ich sagte mir selbst: ‚Schlaf nicht ein, bleib ruhig‘“, erinnert sich der 22-Jährige. „Ich konnte nicht richtig hören. Es war komisch, es war, als ob ich unter Wasser wäre und alle mit mir reden würden, aber die Geräusche waren verzerrt, ich konnte sie nicht verstehen“, erzählt Chris weiter.
Als die Blutung gestoppt wurde, gewann Chris wieder etwas mehr an Bewusstsein. Er wurde notoperiert. Der Hai hatte sieben Sehnen in seinem linken Fuß durchgebissen und eine Arterie durchtrennt. Es wurde sogar ein Haizahn in seinem Knochen gefunden.
Chris konnte monatelang nicht laufen, Sport und Surfen waren erst recht nicht möglich. Das sei für ihn sehr schwer gewesen: „Ich bin nicht der Typ dafür, den ganzen Tag nichts zu tun. Ich war immer surfen, im Fitnessstudio oder habe mich mit Freunden getroffen. Es war schwierig, weil ich nichts machen konnte. Ich war sehr depressiv für eine Zeit.“
Nach Haibiss: „Früher war ich leichtsinniger“
Jetzt geht es Chris sehr gut. Er kann wieder ins Fitnessstudio, geht täglich laufen, seit knapp zwei Monaten surft er auch wieder – aber nicht mehr in New Smyrna Beach. Seitdem er wieder im Wasser ist, habe er auch schon ein paar Haie gesehen, ihr Anblick mache ihn nervöser als früher, aufhören werde er trotzdem nicht.
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Auch sonst hat der Haibiss seine Spuren hinterlassen: „Früher war ich leichtsinniger, ich habe nicht oft über mögliche Konsequenzen nachgedacht. Ich habe auch viele Dinge als selbstverständlich angesehen, wie laufen, selber aufstehen oder surfen. Ich habe nie gedacht, dass ich das so leicht verlieren könnte. Heute bin ich dankbar für diese Dinge. Und ich bin deutlich aufmerksamer gegenüber meinem Bauchgefühl, weil ich es ignoriert habe. Ich habe mich komisch gefühlt und es komplett ignoriert“, sagt der 22-Jährige.
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Die Verletzung ist vollständig genesen. Der Großteil seines oberen linken Fußes ist taub, das werde auch für immer so bleiben, aber er hat keine großen Nervenschäden an seiner Fußsohle davongetragen, erklärt Chris. „Ich hatte sehr viel Glück, es hätte viel schlimmer kommen können.“