Tokio. Ein Start-up möchte Touristen per Ballon an den Rand des Alls transportieren. Die Reisen sollen relativ günstig sein, aber auch sicher?
Keisuke Iwaya hat schon lange einen Traum, mit dem er hoch hinauswill. So groß ist er, dass der 37-Jährige von seinen Lehrern, Professoren und Bekannten immer wieder gefragt worden ist, ob er denn größenwahnsinnig sei. Aber auf Zweifel reagiert der Ingenieur nur noch mit Gelassenheit: „Wir sind schon fast so weit.“ Der jüngste Testflug Ende letzten Jahres sei gelungen. Nun gehe es nur noch um kleine Korrekturen. „Und dann fliegen wir in die Stratosphäre“, sagt der Jungunternehmer mit einem Pokerface. „Regelmäßig.“
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Keisuke Iwaya ist der Gründer des Unternehmens Iwaya Giken, einer seltenen Mischung aus Maschinenbauer und Reiseveranstalter. Seit seiner Gründung 2016 haben sich Iwayas rund 50 Angestellte darangemacht, eine kugelförmige Raumfahrtkapsel zu entwickeln, die durch einen Heliumballon an die 30 Kilometer hochfliegen kann. Nun, wo dies nach eigenen Angaben gelungen ist, will Iwaya Giken ab Sommer dieses Jahres Ausflüge anbieten, die bis in die Stratosphäre reichen – also weit über die Wolken.
Heliumballons: So werden Reisende an den Weltraumrand befördert
In Sapporo, der größten Stadt auf der japanischen Nordinsel Hokkaido, liegt dieser Betrieb, der bald groß rauskommen will, in einer Nebenstraße. Auf Raumfahrt deutet hier zunächst wenig hin. Im zweistöckigen Gebäude wimmelt es zwar von Computern, aber Raumschiffe sind keine da. „Unser Testgelände haben wir außerhalb der Stadt“, erklärt Iwaya. Jetzt aber seien die Aktivitäten im Büro entscheidend: „Hier werten wir Daten von den Testflügen aus.“ Zum Beispiel, ob man wegen der Luftdruckänderungen weit oben Spezialausrüstung brauche. Ergebnis: Brauche man nicht.
Apropos brauchen: Wer braucht so eine Reise überhaupt? Keisuke Iwaya, ernster Blick, gekleidet in Jeans und Sakko, versteht die Frage nicht: „Als ich ein Kind war, träumte ich immer vom Weltall. Ich wollte fliegen können. Und das wollen wir den Leuten jetzt bieten.“ Mit einer Souveränität, als wäre sein Vorhaben längst erfolgreich, erklärt der Jungunternehmer sein Konzept: „Der Abflug wird von hier in Japan sein.“ Rund zwei Stunden dauere der Anstieg zur maximalen Höhe, dort verharren die Reisenden für rund eine Stunde, ehe es binnen einer halben Stunde zurück zur Erde geht.
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Die kugelförmige Kapsel von eineinhalb Meter Durchmesser, die Iwaya entwickelt hat, bietet Platz für einen Piloten und einen Touristen. Von oben – das versprechen auch die Wände im Büro mit diversen Fotos von der Welt aus enormen Höhen – soll die Aussicht gigantisch sein. Man kann die Wolken von oben betrachten. Und glaubt man Keisuke Iwaya, wird der Trip nach oben auch äußerst angenehm sein: Ruckeln, Lärm oder Schwindel sollen kein größeres Problem darstellen. „Es wird eine Reise, die kein Mensch je vergessen wird.“
Deswegen ist Jungunternehmer Iwaya längst ein Prominenter
In Japan ist Iwaya längst ein Prominenter. Zahlreiche TV-Kanäle und Zeitungen haben ihn schon interviewt, denn im ostasiatischen Land ist an einem Typen wie ihm so einiges originell. Zwar gilt Japan ohnehin als große Raumfahrt- und Techniknation, wo sich gerade in den vergangenen Jahren mehrere Betriebe daran versucht haben, an Außerirdischem Geld zu verdienen – ob mit smarten Satelliten, besonders kleinen Rovern für Mondexpeditionen oder schwerem Gerät für einen möglichen Rohstoffabbau auf fernen Planeten.
Der Jungunternehmer sorgt aber auch wegen seines Alters für Aufsehen. In Japans altershierarchisch organisierter Gesellschaft kommt es nicht häufig vor, dass ein Mann mit Mitte 30 Maschinenbauern Anweisungen gibt, die über deutlich mehr Berufs- und Lebenserfahrung verfügen als er selbst. „Herr Iwaya ist nun mal eine beachtliche Persönlichkeit“, schwärmt ein älterer Mitarbeiter von dessen Organisationstalent und geistlicher Klarheit. Tatsächlich: Als jüngerer Mann die konservativen Banken zu überzeugen, gelingt in Japan nur wenigen. Iwaya spielte immerhin 600.000 Euro Kapital ein.
Weltraumtourismus: Eine schnell wachsende Branche
Schließlich bewegt sich das Vorhaben in einem touristischen Wachstumssegment: dem Traum, den Fängen der Erde zu entkommen. Der britische Milliardär Richard Branson beförderte im vergangenen Jahr mit seinem Unternehmen Virgin Galactic erstmals Reisende ins All – wenngleich noch keine abenteuerlustigen Milliardäre an Bord saßen, sondern Forschende. Im Jahr zuvor hatte SpaceX von Elon Musk erstmals Touristen an die Internationale Raumstation gebracht. Tickets für solche Reisen in den Weltraum kosten knapp eine halbe Million bis 20 Millionen Euro. Weitere Anbieter drängen auf den Markt.
Der Unternehmer aus Sapporo ist zuversichtlich, auch weil er seine Preise für eher günstig hält. „Ein Trip wird 24 Millionen Yen kosten“, sagt Keisuke Iwaya. Umgerechnet sind das rund 150.000 Euro. Mit den Erlösen aus den ersten 100 Reisen will er nach zwei Jahren die Investitionen wieder eingespielt haben. Ob man bei Iwaya Giken eine detaillierte Marktstudie gemacht hat, um zu erfahren, wer die zahlungswilligen Kunden sein könnten? Der junge Chef zuckt mit den Schultern, betont, kein Wirtschaftsfachmann zu sein, sondern Ingenieur. Und fragt zurück: „Wer will denn nicht ins All?“