Berlin. Das hat vor ihm noch niemand geschafft: Torbjørn Pedersen hat alle Länder der Welt bereist – ohne Flugzeug. Was den Dänen antreibt.

Wenn man Torbjørn Pedersen fragt, in welchem Land er sich am 26. Oktober 2018 aufgehalten hat, muss er überlegen. „Vermutlich … irgendwo im Mittleren Osten.“ Es ist mehr Frage als Antwort. „Oman? Jemen?“ Dass der 44-Jährige es nicht mehr genau weiß, ist ihm nachzusehen. Immerhin war Afghanistan – so die richtige Antwort – das 160. Land auf einer langen Liste. Torbjørn Pedersen, seiner Internetfangemeinde besser bekannt als Thor, hat etwas geschafft, das vor ihm noch keinem gelungen ist: Der Däne hat in einer einzigen langen Reise alle Länder der Welt besucht – ohne Flugzeug.

Neuer Rekord: Däne reist per Schiff um die Welt

Auf die Idee für das unglaubliche Vorhaben, das den Titel „Once Upon a Saga“ trägt, brachte ihn ausgerechnet sein Vater. Der machte ihn darauf aufmerksam, dass bisher nur einige hundert Menschen alle Länder der Welt gesehen haben. Torbjørn Pedersen wollte sie übertrumpfen. Zu den Ländern der Welt zählt er nicht nur die 193 Staaten, die die Vereinten Nationen offiziell als solche anerkennen, sondern auch Orte wie Grönland oder den Vatikan. Schon vor seiner Reise der Superlative hatte der Abenteurer nach eigener Aussage jedes vierte Land bereist. „Ich habe mir einmal in San Diego ein Motorrad gekauft und bin damit bis Panama City gefahren“, gibt er ein Beispiel. Aber ein Trip dieser Dimension war auch für ihn neu.

Wann immer möglich, reiste Torbjørn Pedersen auf Containerschiffen. Dafür führte er zahlreiche Verhandlungen mit Reedereien über Mitfahrgelegenheiten.
Wann immer möglich, reiste Torbjørn Pedersen auf Containerschiffen. Dafür führte er zahlreiche Verhandlungen mit Reedereien über Mitfahrgelegenheiten. © Mike Douglas | Mike Douglas

Sein Hintergrund als Logistiker half Pedersen bei der Planung. Die Reise sollte ihn von Europa nach Amerika, Afrika, den Mittleren Osten, Asien und schließlich Ozeanien führen. Zu dieser Zeit war Pedersen bereits selbstständig. Seine Familie, allen voran seine Lebensgefährtin, unterstützten ihn bei dem Vorhaben. An einem Donnerstag im Oktober 2013 ging es los. Erster Halt? „Hamburg.“

In den folgenden Monaten genoss Thor die Herzlichkeit der Kanadier, brachte eine der schlimmsten Busfahrten seines Lebens durch den Norden Mexikos hinter sich und badete auf dem Weg zu Machu Picchu in heißen Quellen. Alles nachzulesen in seinem Blog (www.onceuponasaga.dk). Dabei reiste er zu Fuß, mit Bus und Bahn, im Taxi oder per Motorrad, auf Fähren und Containerschiffen.

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So günstig kann man um die Welt reisen

Aufs Fliegen zu verzichten, war nur eine von mehreren Regeln, die Pedersen sich selbst auferlegte. Regel Nummer zwei: Er wollte mit 20 Dollar am Tag auskommen. Um die Kosten zu decken, suchte er immer wieder Sponsoren. Auch arbeitete er als Botschafter mit dem Roten Kreuz oder dem Roten Halbmond zusammen, die ihm Kontakte vor Ort vermittelten. Schätzungsweise 140.000 Euro soll die Reise insgesamt gekostet haben. „Das Sparen wird zum Lebensstil“, erklärt Pedersen. Er reparierte mehr als er wegschmiss, ließ Mahlzeiten ausfallen oder lernte die Vorzüge von Streetfood schätzen. „Und wenn man etwas nur will, aber nicht braucht, bekommt man es nicht.“

Pedersen während seines Aufenthalts in Hong Kong, 2020. Dort musste er zwei Jahre ausharren, weil er das Land wegen der Pandemie nicht verlassen konnte, ohne damit seine Reise abzubrechen.
Pedersen während seines Aufenthalts in Hong Kong, 2020. Dort musste er zwei Jahre ausharren, weil er das Land wegen der Pandemie nicht verlassen konnte, ohne damit seine Reise abzubrechen. © Pavel Toropov | Pavel Toropov

Bevor die Pandemie seine Reisepläne für zwei Jahre auf Eis legte, war Torbjørn Pedersen gerade in Hong Kong angekommen. Eine Familie bot ihm ihr Gästezimmer an. Aus vier Tagen, die er bei ihnen wohnen wollte, wurden fünf Monate, zwei Jahre verbracht er insgesamt in der Stadt. „Das ist eine Geschichte über Gastfreundschaft“, findet Thor. „Und der Beweis für das Motto des Projekts: Ein Fremder ist ein Freund, den du noch nie getroffen hast.“ Seine neuen Freunde waren der Grund, warum er während seiner Zeit in China keinen Cent Miete zahlte. Andere beschafften ihm Visa für die nächsten Länder auf seiner Route. Oder luden ihn, ohne ihn zu kennen, auf einen Kaffee ein, als er kurz vorm Aufgeben war.

Gefährliche Weltreise: Däne wäre mehrmals fast gestorben

Und das war er nicht nur einmal. Heute kann der Däne lachen, wenn er sich an die Höllenfahrt in dem völlig überladenen Toyota Corolla erinnert, dessen Fahrer bei 90 km/h auf einer Schotterpiste irgendwo im afrikanischen Busch am Steuer einschlief. In Westafrika erkrankte er an Zerebraler Malaria, die Schäden im Gehirn verursachen und unbehandelt tödlich enden kann. In Kamerun – „Ich liebe es da – viele tolle Erinnerungen!“ – wurde er gleich mehrmals mit vorgehaltener Waffe bedroht. Drei der Schiffe, auf denen er unterwegs war, sind mittlerweile gesunken.

Im Oktober 2018 überquerte Torbjørn Pedersen die Grenze zwischen Afghanistan und Turkmenistan – zu Fuß inmitten eines Sandsturms.
Im Oktober 2018 überquerte Torbjørn Pedersen die Grenze zwischen Afghanistan und Turkmenistan – zu Fuß inmitten eines Sandsturms. © Torbjørn C. Pedersen | Torbjørn C. Pedersen

Warum das alles? Die kurze Antwort: Weil noch keiner es gemacht hat. „Ich würde mich freuen, wenn man sich an mich als einen der großen Reisenden erinnert“, sagt Thor und nennt Vorbilder wie Marco Polo. Auch würde er sich wünschen, dass die Menschen die Welt durch seine Erfahrungen in einem anderen Licht sehen: „Ich bin wohlbehalten zurückgekommen – entweder das macht mich zum größten Glückspilz oder die Welt ist viel besser, als die meisten Menschen denken.“

Aus den vier Jahren, die es dauern sollte, die Welt zu bereisen, wurden am Ende zehn. In jedem Land, das er bereiste, wollte er sich mindestens 24 Stunden lang aufhalten, so Pedersens dritte Regel. Was empfiehlt der erfahrene Reisende, wenn es darum geht, das Beste aus einem Ein-Tages-Trip zu machen? „Herumlaufen, sich mit Einheimischen unterhalten“, so Thor. „So kann man viel besser beobachten und verstehen, wo man ist.“

Fernbeziehung: „Ehrlichkeit und Vertrauen sind wichtig“

Manchmal blieb Pedersen wochenlang an einem Ort, wenn seine Frau ihn besuchte. „Als ich auf Reisen ging, haben wir beschlossen, nicht gleich Schluss zu machen, sondern es mit einer Fernbeziehung zu versuchen“, erzählt er. Eine Garantie, dass es funktionieren würde, gab es nicht. Doch das Paar blieb zusammen. „Wir geben einander Raum und unterstützen uns gegenseitig bei unseren Vorhaben“, so der Däne. „Ehrlichkeit und Vertrauen sind wichtig und natürlich Kommunikation – das geht ganz gut übers Internet.“ Die beiden heirateten sogar, während er unterwegs war – und das gleich zweimal.

Mit seiner Frau führte Torbjørn Pedersen zehn Jahre lang eine Fernbeziehung. Sie unterstützte ihn bei seiner Weltreise.
Mit seiner Frau führte Torbjørn Pedersen zehn Jahre lang eine Fernbeziehung. Sie unterstützte ihn bei seiner Weltreise. © Mike Douglas | Mike Douglas

Seit Ende Juli ist das Paar wieder vereint. Die Malediven markierten das Ende von Pedersens Reise. Geld ausgegeben hat er kaum, seit er zurück in Dänemark ist, dafür aber sein altes Fahrrad repariert. „Ich bin immer noch im Operationsmodus“, lacht der 44-Jährige. Das Interesse an seinem Trip ist groß. Im kommenden Jahr sollen ein Buch und eine Dokumentation erscheinen, das bedeutet erstmal viele Termine. Im Guinnessbuch der Rekorde steht Pedersens Reise dagegen nicht. Das wäre sehr aufwendig. „Es gibt nur etwa 300 Leute, die alle Länder der Welt besucht haben und nur zwei, die es am Stück gemacht haben“, sagt Pedersen. „Ich bin der Einzige, der es ohne Flugzeug geschafft hat – das zu wissen, reicht mir.“