Berlin. Forscher haben einen zweiten Urzeit-Menschenaffen im Allgäu entdeckt. Es soll sich um die kleinste bekannte Menschenaffenart handeln.

Im Jahr 2019 entdeckten Paläontologen im Ostallgäu das beeindruckende Fossil des rund zwölf Millionen Jahre alten Menschenaffen Danuvius guggenmosi, auch bekannt als „Udo“, benannt nach dem Sänger Udo Lindenberg. Nun gibt es an derselben Fundstelle in Pforzen im Allgäu einen weiteren Sensationsfund. Ein internationales Forscherteam hat die Überreste einer weiteren urzeitlichen Menschenaffenart identifiziert. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „PLOS One“ veröffentlicht.

Forscher sind sich einig: Neue Zahnfunde stammen nicht vom Menschenaffen Udo

Vor einigen Jahren wurde in einem Bachsediment nahe der bekannten Tongrube, in der auch Danuvius (Udo) gefunden wurde, ein Zahn des neu entdeckten Menschenaffen gefunden. Zunächst vermuteten die Forscher, dass es sich um einen Altweltaffen der Gattung Pliopithecus handeln könnte, denn wie Professorin Madelaine Böhme von der Universität Tübingen in einer Pressemitteilung erklärt, lebten solche Affen damals in Süddeutschland.

2017 kamen erste Zweifel auf, als das Team um Böhme Knochen des deutlich größeren Menschenaffen Danuvius fand. Ein zweiter, weniger als einen Zentimeter langer Zahn, bestätigte nach eingehenden Vergleichsanalysen, dass die beiden Zähne nicht zu Danuvius gehörten. Die Forscher waren überzeugt, dass es sich um eine zweite Menschenaffenart handelte, die sich deutlich von der ersten unterschied. “Die Morphologie und die Größe dieser Funde aus derselben Fundschicht der Hammerschmiede wie Danuvius erfordern die Einstufung in eine neue Gattung”, schreiben sie in ihrer Mitteilung.

Forscher überwältigt: Kleinste bekannte Menschenaffenart entdeckt

Zwei Zähne und eine Kniescheibe hat Böhmes Team im Ostallgäu gefunden – das mag nach wenig klingen, liefert den Paläontologen aber eine Menge Informationen. Dank des Fundes konnte das internationale Forscherteam den neu entdeckten Menschenaffen namens Buronius manfredschmidi als die kleinste bekannte Menschenaffenart identifizieren. Buronius wog den Forschern zufolge vermutlich nur etwa zehn Kilogramm und war damit deutlich kleiner als heutige Menschenaffen, deren Gewicht von etwa 30 Kilogramm beim Bonobo bis über 200 Kilogramm beim Gorilla reicht. Buronius war demnach auch kleiner als Danuvius, der zwischen 15 und 46 Kilogramm wog.

Untersuchungen des Zahnschmelzes deuten außerdem darauf hin, dass Buronius sich wahrscheinlich von Früchten und Blättern ernährte, im Gegensatz zu Danuvius, der ein Allesfresser war. Denn wie in der Mittelung erklärt wird, deutet ein dünner Zahnschmelz auf eine fruchtbetonte, vegetarische Ernährung hin, während eine dickere Zahnschmelzschicht auf härtere und zähere Nahrung hinweist.

Backenzähne der beiden Menschenaffen als 3D-Druck in ca. 10-facher Vergrößerung: Der sehr dünne Zahnschmelz von Buronius manfredschmidi (links) weist darauf hin, dass er Pflanzen-fresser war. Der dicke Zahnschmelz von Danuvius guggenmosi (rechts) lässt auf einen „Alles-fresser“ schließen.
Backenzähne der beiden Menschenaffen als 3D-Druck in ca. 10-facher Vergrößerung: Der sehr dünne Zahnschmelz von Buronius manfredschmidi (links) weist darauf hin, dass er Pflanzen-fresser war. Der dicke Zahnschmelz von Danuvius guggenmosi (rechts) lässt auf einen „Alles-fresser“ schließen. © Universität Tübingen | Universität Tübingen

Und auch die gefundene Kniescheibe lieferte den Forschern wichtige Informationen: Die dicke und asymmetrische Kniescheibe von Buronius deutet darauf hin, dass er besser an das Klettern in Bäumen angepasst war als Danuvius, heißt es. Diese Details konnte das internationale Forscherteam mithilfe von Computertomografen im Labor des Senckenberg Zentrums und durch Vergleiche mit bereits bekannten Arten ermitteln.

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Fund beweist Koexistenz unterschiedlicher Menschenaffenarten

Der Fund ist nicht nur wegen seiner Größe von Bedeutung. “Es ist außergewöhnlich, dass mit Danuvius und Buronius zwei Menschenaffenarten gleichzeitig im selben Lebensraum lebten”, wird Böhme in der Mitteilung zitiert. In einer Region nördlich der Alpen, in der das Klima saisonale Herausforderungen mit sich bringe, sei dies aufgrund des mangelnden Nahrungsangebots besonders bemerkenswert.

Die Forscher vermuten, dass die unterschiedlichen Lebensweisen der beiden Menschenaffen ihr gleichzeitiges Überleben ermöglichten. Buronius hielt sich vermutlich in den Baumkronen auf und ernährte sich von Früchten und Blättern, während Danuvius ein größeres Gebiet durchstreifte und vielfältigere Nahrungsressourcen nutzte.

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