Berlin. Wie kämpften mykenische Krieger vor 3500 Jahren? Forscher ließen dafür Elitesoldaten 11 Stunden lang eine fiktive Schlacht schlagen.

Als Studienteilnehmer schluckt man meistens Pillen oder schläft zu Forschungszwecken auf unterschiedlich harten Matratzen. Doch für ein archäologisches Experiment ging es härter zu. In der Nachbildung einer 3500 Jahre alten Ganzkörper-Rüstung aus Griechenland kämpften Freiwillige für elf Stunden lang eine Schlacht, ganz wie in der späten Bronzezeit. Für das Experiment schlüpften 13 Elitesoldaten der griechischen Streitkräfte in die Panzerung – mit überraschendem Ausgang.

Im Jahr 1960 entdeckten Archäologen die älteste komplette Rüstung Europas bei Ausgrabungen in Dendra, einem Dorf im Süden Griechenlands. Das Dorf liegt in der Nähe der Stadt Mykene, nach der die Kultur der späten Bronzezeit Griechenlands (1600 bis 1000 v. Chr.), die mykenische Kultur, benannt ist. Ob die eindrucksvolle Panzerung aus massiven Bronzeplatten und einem Helm aus Wildschweinhauern nur einen rein zeremoniellen Zweck hatte, oder aber wirklich in der Schlacht getragen wurde, blieb jahrzehntelang unklar.

Doch der praktische Ansatz der im Fachjournal „PLOS ONE“ erschienen Studie konnte das Rätsel um die Rüstung endlich lösen. Demnach konnten sich die bronzezeitlichen Krieger in der Rüstung durchaus in der Schlacht behaupten. Die griechischen Marineinfanteristen mussten in der Rüstung und mit historischen Waffen wie Speeren bewaffnet elf Stunden lang den Ablauf einer altertümlichen Schlacht durchlaufen. Als Vorlage dafür diente eine berühmte Schrift.

Die originale Bronzerüstung aus dem Dorf Dendra stammt aus der Zeit um 1500 vor Christus. Ihre
Die originale Bronzerüstung aus dem Dorf Dendra stammt aus der Zeit um 1500 vor Christus. Ihre © picture alliance / ANE Edition | Andreas Neumeier

Forscher simulieren historische Schlacht – Homers trojanischer Krieg diente als Vorlage

Die Wissenschaftler bedienten sich für ihre Simulation der „Ilias“, dem Epos des griechischen Dichters Homers über den Trojanischen Krieg und seine Helden wie Achilles oder Odysseus. Anhand der beschriebenen Schlachten erstellte das Forschungsteam ein Protokoll für den Kampf. „Wir stellen die täglichen Aktivitäten eines Elite-Kriegers der späten Bronzezeit nach“, schrieb der Hauptautor der Studie, Andreas Foulis, „Live Science“ in einer E-Mail.

Die griechischen Marineinfanteristen simulierten elf Stunden lang Kämpfe zu Fuß, auf dem Wasser und im Streitwagen.
Die griechischen Marineinfanteristen simulierten elf Stunden lang Kämpfe zu Fuß, auf dem Wasser und im Streitwagen. © Flouris et al. 2024 / PLOS ONE

„Danach nutzen wir paläoklimatologische Daten, um die Umweltbedingungen zum Ende der Bronzezeit in Troja zu simulieren“, sagte Foulis, der Professor für Physiologie an der Universität Thessalien ist. Bei einer durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 Prozent war es 18 bis 20 Grad warm in Troja. Diese Bedingungen stellten die Forscher für ihre Kämpfer nach.

In der 23 Kilogramm schweren Replik der mykenischen Rüstung kämpften die Testpersonen Duelle gegen andere Infanteristen, mussten sich gegen sowie auf Streitwagen behaupten, und simulierten den Fernkampf. All das gelang ihnen ohne Einschränkungen durch die massive Rüstung. Trotzdem hinterließ das Experiment seine Spuren. Ein Bild der Forscher zeigt den geschundenen Oberkörper eines Kämpfers, der voller blauer Flecke war.

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Experimentelle Archäologie: Soldaten machten mykenische Diät vor der Schlacht

Vor der Schlacht setzten die Wissenschaftler ihre Kämpfer sogar auf eine authentische Diät, ähnlich der Ernährung eines mykenischen Soldaten vor der Schlacht. Lieferte eine Mahlzeit aus Brot, Rind- und Ziegenfleisch, Käse, grüne Oliven, Zwiebeln und Rotwein genug Kalorien für den stundenlangen Kampf? Die griechischen Marineinfanteristen hatten laut der Studie jedenfalls reichlich Energie.

Die Rüstung sei ein Zeugnis der handwerklichen Begabung der Mykener, heißt es in der Studie. „Die Wirksamkeit und Vielseitigkeit mykenische Schwerter und Speere war schon lange bekannt“, sagte Flouris gegenüber „Live Science“. „Die zusätzliche schwere Rüstung wird mykenischen Kriegern einen erheblichen Vorteil gegenüber denjenigen verschafft haben, die nur ein Schild oder leichte Schuppenpanzerung zur Verteidigung besaßen.“

Laut den Forschern waren die Mykener einige der am besten ausgerüsteten Krieger der späten Bronzezeit. Die Kombination aus gepanzerten Kriegern, die auf gepanzerten Streitwagen in die Schlacht fuhren und deshalb voller Energie an der Frontlinie eintrafen, machte beeindruckende Gegner aus ihnen, so Flouris.

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