Berlin. Schon in der Steinzeit haben sich die Menschen geschmückt. Ein archäologischer Fund zeigt, welche Piercings dabei zum Einsatz kamen.

Vom Elternschreck zum Mainstream-Schmuck: Piercings sind längst nicht mehr so außergewöhnlich, wie sie einmal waren. Egal ob Nasen-, Lippen- oder Bauchnabelpiercings – der Körperschmuck ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch lange galten Ringe oder Stecker, die nicht das Ohr schmückten, hierzulande als rebellisch oder gar skandalös. Dabei haben wohl schon unsere Vorfahren vor Tausenden Jahren gerne Piercings getragen.

Das belegt ein Fund, der nun in der Türkei gemacht wurde. Archäologen der Universität von Ankara haben dort die bisher ältesten Piercings der Welt entdeckt. In der Ausgrabungsstätte Boncuklu Tarla im Südosten Anatoliens fanden sie an und neben Skeletten die Überreste von 11.000 Jahre altem Körperschmuck. Für die Forscher dabei besonders interessant: Nur an Skeletten von Erwachsenen wurden die Spuren von Piercings gefunden. Es könne sich bei ihnen daher um ein Initiationsritual für Heranwachsende gehandelt haben.

Archäologie: Piercings waren aus unterschiedlichsten Materialien gefertigt

Boncuklu Tarla gehört zu den für Archäologen bedeutendsten Fundstätten des Neolithikums, also der Jungsteinzeit. Zu dieser Zeit ließen sich Menschen in ersten Siedlungen nieder und damit ihr Leben als Jäger und Sammler hinter sich. Das Forschungsteam fand in den Gräbern aus dieser Zeit bei Ausgrabungen von 2012 bis 2017 insgesamt mehr als 100 Piercings.

An den Ohren und der Unterlippe sollen die frühen Bewohner der Türkei ihre Piercings getragen haben.
An den Ohren und der Unterlippe sollen die frühen Bewohner der Türkei ihre Piercings getragen haben. © Antiquity | Kodaş et al. 2024

Die Piercings wurden unter anderem aus Kalkstein, Obsidian, Chlorit, Kupfer und Flusskiesel gefertigt. Wahrscheinlich trugen die prähistorischen Menschen den Schmuck als Ohrpiercing oder als sogenanntes Labret-Piercing in der unteren Lippe. Dafür sprechen die unterschiedlichen Formen und Größen sowie die Fundposition neben Ohren und dem Kinn, schreiben die Wissenschaftler in ihrer im Fachjournal „Antiquity“ veröffentlichten Studie. Die Art der Piercings überschneidet sich außerdem mit entsprechenden Abnutzungsspuren an den Schädeln der Toten.

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Piercings lieferen ältesten Beweis für menschliche Schmucktradition

Laut den Forschern handelt es sich bei dem Schmuck um den „frühesten kontextualen Beweis“ von Körperveränderungen, bei denen Piercings verwendet wurden. Zwar gab es aus der Zeit schon Indizien auf den Gebrauch von Piercings, allerdings waren sie noch nie so eindeutig wie bei den Funden aus Boncuklu Tarla.

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