Rom. Eine Droge, gefährlicher als Heroin, ist in Europa auf dem Vormarsch. Die Mafia in Italien verspricht sich davon ein großes Geschäft.
In den USA ist sie als „Droge der Zombies“ bekannt: Fentanyl wirkt nicht nur berauschend, sondern betäubt und desorientiert, bis zu dem Punkt, an dem man aufhört zu atmen. Eigentlich handelt es sich um ein Schmerzmittel, das in Deutschland etwa bei Krebspatienten eingesetzt wird.
Doch vor allem in den USA wird Fentanyl als Droge missbraucht – und hat dort eine regelrechte Epidemie mit mehreren Tausend Toten im Jahr ausgelöst. Die amerikanische Drogenbehörde DEA stuft Fentanyl unlängst als die „tödlichste Drogengefahr für dieses Land“ ein.
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20 Todesfälle hat die „Droge der Zombies“ in Deutschland bereits verursacht. In Europa ist Fentanyl noch nicht so verbreitet wie in den USA, doch dies könnte sich bald ändern. Denn auch die ´Ndrangheta, die Mafia aus der süditalienischen Region Kalabrien, wittert Riesengeschäfte mit Fentanyl.
„Zombie-Droge“ Fentanyl: Mafia testet Markt in Italien
Das größte Drogenkartell Europas will verstärkt in den Handel mit dieser Droge einsteigen, warnt der für Geheimdienste zuständige italienische Staatssekretär Alfredo Mantovano vor dem Parlament in Rom. „Fentanyl ist kein auf die USA begrenzter Markt“, betonte Mantovano. Informationen des italienischen Geheimdienstes deuteten auf ein starkes Interesse der ´Ndrangheta hin, auch wenn sie zurzeit noch den Markt teste. „Da sie das Oligopol für Kokain hat, will sie herausfinden, ob eine Droge, die einen sehr niedrigen Preis hat und sich sehr leicht verbreitet, günstig sein kann oder nicht“, so Mantovano.
Bei der Droge handelt es sich um ein synthetisches, also künstlich hergestelltes Opioid. Es wirkt etwa 50-mal stärker als Heroin, schon winzige Mengen können zu einer Überdosis führen. Mantovano appellierte an Familien von Jugendlichen: „Es gibt Rapper, die in ihren Liedern den Konsum dieser Substanz anpreisen. In einigen Fällen sind sie sogar Opfer dieser Droge geworden, weil sie daran gestorben sind.“ Der Kampf gegen den Fentanyl-Handel werde ein wichtiges Thema beim nächsten G7-Treffen der Außenminister in Italien sein.
Fentanyl-Krise: Zustände wie in den USA sollen verhindert werden
Der italienische Gesundheitsminister Orazio Schillaci hat derweil einen „Plan zur Bekämpfung von Fentanyl und anderen synthetischen Opioiden“ vorgestellt. Dieser sieht verstärkte Kontrollen, gezielte Sensibilisierung von Ärzten sowie Informationskampagnen vor, um zu verhindern, dass Fentanyl in die Hände italienischer Konsumenten gelangt.
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„Die Polizei wird die Verteilung der Droge Fentanyl in Italien sowie die Sicherheitsmaßnahmen an den Orten, an denen die Substanz gelagert wird, verstärken, um ihre missbräuchliche Verwendung zu verhindern“, erklärte der Minister. Auch die Apotheken seien zu größter Wachsamkeit aufgerufen.
Opioid-Krise: Das haben die Taliban damit zu tun
Die ´Ndrangheta gilt weithin als das mächtigste Kartell der organisierten Kriminalität in Italien und hat damit die Cosa Nostra in Sizilien übertroffen. Das liegt vor allem daran, dass sie einen Großteil des in Europa ankommenden Kokains kontrolliert. Experten schätzen, dass ihr Umsatz drei Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht, was etwa 60 Milliarden Euro pro Jahr entspricht.
Dass Fentanyl bald auch in Europa eine größere Rolle spielen könnte, hat mit Verschiebungen auf dem internationalen Drogenmarkt zu tun. Ein erheblicher Teil des Heroins auf dem europäischen Markt stammt aus Afghanistan. Weil die Taliban aber seit ihrer Machtübernahme den Schlafmohnanbau bekämpfen, sinkt dort die Heroinproduktion. Dealer wollen nun zunehmend auf das günstig herzustellende Fentanyl umsteigen, das dem Heroin beigemischt wird.
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Die globale Fentanyl-Versorgungskette beginnt laut Experten mit Chemieunternehmen in China. Im Oktober hatte das US-Justizministerium Klage gegen acht in China ansässige Produzenten und Mitarbeiter erhoben. Den Unternehmen werden unter anderem Verbrechen im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb von Fentanyl sowie Substanzen zur Produktion der synthetischen Droge vorgeworfen.