Berlin. Auch an Weihnachten und Silvester suchen Menschen Sexarbeiterinnen auf. Zwei Frauen berichten, wie sich ihr Job an Feiertagen ändert.
Weihnachten steht vor der Tür und für viele bedeutet das: keine Arbeit, stattdessen Familienbesuche, Geschenke und Festessen. Aber wie geht es Menschen in der Escort-Branche an diesen Tagen und welche Begegnungen machen sie an Heiligabend?
Vanessa aus Frankfurt am Main und Helena aus Hamburg sind als sogenannte „Independent Escorts“ tätig. Das bedeutet: Die Sexarbeiterinnen bieten die „Dates“, wie sie es selber nennen, auf selbstständiger Basis an. Hier berichten die beiden Frauen, welche Menschen zur Weihnachtszeit und an Silvester zu ihnen kommen – und warum der Job für sie mehr ist als Sexarbeit.
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Weihnachtszeit: Das verändert sich für die Sexarbeiterinnen
„Ich bekomme jedes Jahr auf jeden Fall mehr Anfragen rund um die Feiertage. Meistens geschieht das recht kurzfristig“, erzählt Helena. „Ich merke bei meinen Treffen mit Gästen um die Weihnachtszeit, wie sehr sie unter Strom stehen und wie gut ihnen dann das Loslassen und Nähe tut“, so die Frau. Das sei natürlich auch außerhalb der Weihnachtszeit zu spüren, aber gerade zum Jahresende falle es Helena verstärkt auf.
Auch Escort Vanessa aus Frankfurt erlebt das ähnlich: „Ich bekomme zur Weihnachtszeit wirklich sehr viele Anfragen – vergleichsweise mehr als im restlichen Jahr.“ Die Sexarbeiterin glaubt, dass die Menschen zu der Zeit oft stärker gestresst seien und dann eine Ausflucht aus dem gehetzten Alltag suchen würden. Aber ist Stress der einzige Grund, warum mehr Menschen die Frauen anfragen? Nicht nur, wie Vanessa berichtet: „Es kommen auch Kunden zu mir, die gerade zur Weihnachtszeit mehr Aufmerksamkeit suchen und nicht alleine sein wollen.“
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Einsamkeit an Weihnachten – so erleben es die Escorts
Einsamkeitsgefühle bei Kundinnen und Kunden sind etwas, was beide Frauen durchaus öfters erlebt haben. Helena fasst es so zusammen: „Ich habe in meinen Job schon die einsamsten Menschen getroffen, denen die Nähe privat komplett fehlt.“ Die Sexarbeiterin weiß von der Einsamkeit, weil ihr die Gäste davon erzählen. „Dazu lade ich bewusst ein: Ich will einen Safe Place, einen sicheren Ort bieten, an dem man über alles reden kann.“
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Vanessa zufolge betreibe sie mit ihrem Job Seelsorge: „Vor allem körperliche, aber auch durch Gespräche kommt Nähe zustande. Und ich glaube, gerade zur Weihnachtszeit ist der Bedarf an Seelsorge nun einmal höher.“ Helena ist es ebenfalls wichtig, zu betonen, dass ihr Job auch aus einem psychologischen Part besteht: „Durch Gespräche und Nähe leiste ich für meine Gäste Care-Arbeit. Das wird zwischen den vielen Vorurteilen gegenüber Sexarbeit häufig vergessen.“
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Heiligabend zusammen verbringen: Helena feiert mit Stammgästen
Aber wie ist es, mit einem Kunden Weihnachten zu feiern? Helena bezeichnet ihre Kundinnen und Kunden grundsätzlich als Gäste. Die Feiertage verbringt sie am liebsten mit ihren Stammgästen, denn da sei das Verhältnis enger und eher freundschaftlich. „Ich fahre schon länger nicht mehr an Weihnachten zu meiner Familie, weil mir das einfach zu stressig geworden ist.“ Ihre Familie wisse nichts von der Escort-Arbeit.
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Letztes Jahr hat Helena Weihnachten mit einem Stammgast gefeiert: „Wir haben bei ihm gekocht, haben uns schick angezogen, es gab einen Weihnachtsbaum und kleine Geschenke. Er trug Sakko und ich ein Kleid.“ Das sei ein ganz klassische Fest gewesen – „nur ohne den ganzen Stress und den Druck durch Familie und Co“, bekräftigt Helena.
Escort Vanessa führt ein Doppelleben
Vanessa verbringt die Weihnachtstage hingegen bei ihrer Familie. „Da ich ein Doppelleben führe und meinen Job für mich behalte, kann ich an den Weihnachtstagen nicht arbeiten“, erzählt sie. „Aber ich feiere trotzdem auch mit Kunden Weihnachten nach, zum Beispiel am 26. Dezember, wenn ich da nach Hause fahre.“ Vanessa bevorzugt für die Feiertage ebenfalls Treffen mit Stammkunden: „Wir gehen dann beispielsweise Essen und schenken uns etwas, bevor wir intim werden.“ Auch Silvester feiere sie gerne mit Kunden.
Allgemein ließen sich ihre Kunden gut unterscheiden: „Es gibt die Männer, die sich bewusst darüber sind, dass sich mich als Escort buchen und dieser Fakt bleibt auch beim Date präsent.“ Diese Kunden seien sich sehr klar darüber, dass es sich um ein Treffen mit einem gesetzten Anfang und Ende handelt. „Häufig haben sie Familie zuhause und sind eher weniger einsam“, so Vanessa.
Freundin zur Weihnachtszeit: „Ich bekomme ein Geschenk überreicht“
Dann gäbe es auch Anfragen, wo sich Kunden wünschen würden, dass Vanessa so tut, als wäre sie ihre Freundin. „Diese Männer suchen häufig Zuflucht in solchen Fantasien und haben das Bedürfnis nach Nähe – die ich ihnen dann auch gerne gebe.“
Gerade zur Weihnachtszeit und zwischen den Jahren träfe die Escort häufiger diesen „Zufluchtstypen“ – also jemand mit dem Bedürfnis nach der Rolle der Freundin. „So werde ich zum Beispiel vor dem Date nach meinen Wünschen gefragt und bekomme dann ein Weihnachtsgeschenk überreicht, so als wäre ich die feste Freundin.“
Prostitution in Deutschland
Wer in Deutschland in der Prostitution arbeiten möchte, ist nach dem Prostitutiertenschutzgesetz von 2017 verpflichtet, sich anzumelden. Bei dem persönlichen Termin auf dem Amt werden Sexarbeiterinnen über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt und erhalten eine Gesundheitsberatung.
Zum Jahresende 2022 erfasste das Statistische Bundesamt hierzulande rund 29.000 gültig angemeldete Prostituierte, nur 18 Prozent von ihnen hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Schätzungen gehen von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus: Demnach könnte es zwischen 205.000 und 400.000 Prostituierte in Deutschland geben. Diese Zahlen sind jedoch nicht offiziell belegt.
Nicht nur Politiker aus den Reihen von CDU und CSU, auch aus den Reihen der SPD werden Stimmen laut, die in Richtung Sexkauf-Verbot tendieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich im November im Bundestag gegen Prostitution ausgesprochen: „Ich finde es nicht akzeptabel, wenn Männer Frauen kaufen. Das ist etwas, was mich moralisch immer empört hat“. Prostitution sollte nicht als Normalität anerkannt, sondern zurückgedrängt werden, so der Kanzler.
Die Grünen wiederum sehen das Nordische Mordell kritisch und sprechen sich gegen die Einführung aus, wie die frauenpolitische Sprecherin der Brundestagsfraktion, Ulle Schauws, mitteilte: „Wir wissen, dass Prostituierte durch ein Verbot in Gefahr laufen, in die Illegalität gedrängt zu werden.“ Stattdessen sollten Hilfsangebote ausgeweitet werden.