Berlin. Werden Bettwanzen aus Frankreich eingeschleppt oder bloß das Reden darüber? Wie Experten das Risiko in Deutschland einschätzen.
In Frankreich sind Bettwanzen derzeit ein Aufreger. In Deutschland zunehmend auch. Das macht die Kraft der Einbildung.
Aktuell gebe es „noch keine signifikanten Anzeichen für einen erhöhten Bettwanzenbefall“, versichert Christian Klockhaus, Forschungschef von Rentokil Initial. Das ist der weltweit größte Schädlingsbekämpfer, auch hierzulande der Marktführer. Lesen Sie auch: Nun kommt also die Bettwanze. Was für ein schauriger Ekel!
Noch? Grundsätzlich böten Reisewellen zu Ferienzeiten „ein gewisses Risiko“, erläutert der Experte. Im Umkehrschluss erklärt sich so, warum „die Zahl der Bettwanzenvorfälle während der Pandemie in Deutschland nahezu null gewesen ist“, wie er unserer Redaktion sagt.
Bettwanzen: Gewinner der Globalisierung
In den 1950er Jahren waren die Blutsauger praktisch verschwunden. Mit der Globalisierung kam der Befall wieder, mit Tourismus und Migration. Weitere Erklärungen sind das Kaufen von Second-Hand-Mode und die wachsende Resistenz der Tierchen gegen Insektizide, so Kai Scheffler vom Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband.
Schon 2017 warnte das Bundesumweltamt in einem Ratgeber vor einer wachsenden Ausbreitung. Der Wissensstand in der Bevölkerung sei gering. Oft würden die Viecher nicht erkannt oder mit anderen Insekten verwechselt.
Zwei Zeichen für einen Befall sind Einstiche – typischerweise in einer Reihe – und Kotspuren, winzige schwarze Flecken, auf der Matratze oder am Lattenrost. „Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass ein Bettwanzenbefall durch mangelnde Hygiene bedingt ist“, so das Bundesumweltamt.
Bettwanzen: Ob Berghütte oder Luxushotel, sie sind überall zu Hause
Die nachtaktive Bettwanze ist überall zu Hause, in der Berghütte wie im Fünf-Sterne-Hotel in New York. Mal reist sie im Schlafsack mit, mal im Louis-Vuitton-Koffer. „Je mehr eine Unterbringungsmöglichkeit frequentiert wird“, so Lobbyist Scheffler, „umso höher ist die Gefahr eines Befalls“.
Rentokil-Experte Klockhaus erklärt: „In Koffern und Taschen von Urlaubern reisen die Tiere oft unbemerkt per Anhalter um die Welt.“ Auch der Trend zu Second-Hand-Möbeln spiele eine Rolle. Gebrauchtmöbel und alte Teppiche böten Bettwanzen „viele Versteckmöglichkeiten“.
Niemand registriert die Fälle von Bettwanzen
Da sie keine Krankheiten übertragen, ist der Befall mit Bettwanzen in Deutschland nicht meldepflichtig. Rein rechtlich kommt – vom Amtsgericht Frankfurt erst im Juni 2021 bestätigt – der Vermieter für die Kosten der Bekämpfung auf. Denn: „Schädlinge wie Bettwanzen stellen einen Mangel der Mietsache dar, den grundsätzlich der Vermieter zu beseitigen hat.“
Viele Menschen wissen das vermutlich nicht; viele werden auch auf die Kostenerstattung verzichten und nur darauf achten, dass sie die Schädlinge unauffällig aus ihrer Wohnung schaffen. Diskretion wird großgeschrieben. Rentokil nennt grundsätzlich über den Wanzenbefall keine Zahlen, sondern stellt lediglich fest, „dass sich die Werte auf Vor-Corona-Niveau normalisiert haben“. Im Klartext: Zuletzt sind sie gestiegen.
Bettwanzen-Plage: Frankreich setzt jetzt auf Spürhunde
Die rotbraunen vier bis fünf Millimeter langen, winzigen Tiere sind häufig im Bett oder Schlafsofa und anderen Möbelstücken versteckt, ferner in und hinter Bilderrahmen, hinter Steckdosen und Lichtschaltern, Tapeten, Scheuerleisten. Kann man die Tiere mühelos sehen, liegt meist bereits ein größeres Problem vor.
Die Bekämpfung hängt von der Stärke des Befalls ab. Wird auch nur ein Weibchen übersehen, geht alles schnell von Neuem los. Denn ein Weibchen – sie können monatelang ohne Nahrung auskommen – produziert im Laufe seines (sechsmonatigen) Lebens bis zu 500 Eier.
Schädlinge: Hat sich die Lage oder der Blick geändert?
In den vergangenen Jahren ist der Einsatz von Bettwanzen-Spürhunden in zunehmendem Maße populär geworden. Frankreich setzt sie aktuell in öffentlichen Verkehrsmitteln ein. Lesen Sie auch: Bettwanzen-Plage in Paris – Behörden schlagen Alarm
Rentokil kombiniert Kontaktinsektizide mit Wärme. Denn Bettwanzen können Hitze nicht ertragen. Dann werden einzelne Räume stundenlang auf Temperaturen von über 50 Grad geheizt. Befallene Kleidungsstücke können bei mindestens 40 Grad (besser 60) im längsten Waschprogramm mit ausreichend Waschmittel oder im Wäschetrockner bei 60 Grad von Bettwanzen befreit werden.
Explosion der Fälle? – Experten winken ab
Grundsätzlich sind Bettwanzen das ganze Jahr und überall ein Thema, tendenziell stärker zu den Reisezeiten. Es ist möglich, dass Frankreich-Urlauber sie vermehrt einschleppen werden. Wobei Fachleute wie Klockhaus es für spekulativ halten, von einer Explosion der Fälle im Nachbarland zu reden. „Laut den Kollegen von Rentokil Initial France gibt es keine signifikanten Steigerungen“ – es werde nur mehr darüber berichtet. Auch interessant: Bettwanzen im Urlaub: Auf diese Symptom sollten Sie achten