Berlin. Seuchen, bewaffnete Kontrollen: Ein DRK-Mitarbeiter über die brisante Lage für Rettungskräfte in Libyen. Was die DRK-Helfer erwartet.
Die Situation in Libyen nach der Hochwasserkatastrophe mit mehr als 11.000 Toten stellt die Rettungskräfte vor großen Herausforderungen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) arbeitet seit Jahren mit der Schwestergesellschaft, dem „Libyschen Roten Halbmond“ zusammen. Nun wird auch das DRK ein Team nach Libyen schicken. „Wir planen, am Donnerstag dort hin zur reisen“, so Christof Johnen, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz. Er erklärt, wie die Helferinnen und Helfer auf den Einsatz vorbereitet werden und was sie in Libyen erwartet.
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Was wird die Hauptaufgabe des DRK vor Ort sein?
Christof Johnen: Es wird vor allem um Trinkwasseraufbereitungsanlagen gehen. Die Versorgung mit Wasser ist jetzt eins der vorrangigen Themen. Die Situation wird immer prekärer. Wenn so viel Wasser wie nach diesen Regenfluten in das bestehende System wie Brunnen oder Wasserleitungen eindringt, wird das dann natürlich extrem verschmutzt.
Wenn der Zugang zu sauberem Wasser nicht gegeben ist, resultieren daraus schwere Durchfallerkrankungen. Es muss nicht sofort die Cholera sein. Auch anderen Krankheiten schwächen extrem. Als absolute Notmaßnahmen findet dann eine Teilversorgung mit Wasser in Flaschen statt, aber das ist logistisch schwierig bei Städten mit Hunderttausend Einwohnern.
Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?
Johnen: In den ersten Tagen waren sie komplett überfüllt. Es ist sehr schwierig. Denn auch hier gibt es die Probleme mit der Wasserversorgung. Es gibt ja auch in den Kliniken keine eigene Trinkwasseraufbereitung.
Sind genügend Medikamente vorhanden?
Johnen: Da wurde uns noch kein Mangel berichtet. Man kann bei Durchfall ja auch gut mit Zucker- oder Salzlösungen improvisieren. Schwieriger ist es bei Schmerzmitteln oder Verbandsmaterial. Aber da haben wir noch nicht von Engpässen gehört.
Wie stellt sich die Lage für die Einsatzkräfte vor Ort da?
Johnen: Die Kollegen, die bereits vor Ort sind, berichten von schlimmen Eindrücken. Auch der Geruch wird als extrem wahrgenommen. In dem Wasser befinden sich eben auch Leichen. Es liegt also auch Leichengeruch in der Luft. Es ist für alle eine sehr hohe Belastung. Zuallererst natürlich für die Menschen vor Ort, die immer noch nicht wissen, ob ihr Freunde oder Familienangehörigen noch leben. Vielfach wurden die Toten in Massengräbern beigesetzt, ohne dass sie vorher identifiziert wurden.
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Wie setzt sich das DRK-Helferteam zusammen?
Johnen: Es gibt ein Pool von etwa 400 Menschen verschiedener Professionen wie Techniker, Ingenieure, Logistiker, Ärzte, Pflegepersonal. Daraus rekrutieren wir dann ein Team, das wirklich hochkarätig besetzt ist. Jetzt wird auch ein Ingenieur eines deutschen Wasserversorgungsunternehmens dabei sein.
Wie wird das Team vorbereitet, Katastrophenhilfe zu leisten?
Johnen: Es gibt ein technisches Training vorher. Das heißt, die Kollegen werden mit den Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung oder mit Kommunikation per Satellit vertraut gemacht. Und es gibt auch ein Sicherheitstraining.
Wie sieht das aus?
Johnen: Das sind Trainings, die sieben bis neun Tage dauern. Hier geht es vor allem darum: Wie verhalte ich mich an Kontrollpunkten? Bei Kontrollen der regulären Armee, aber auch bei Kontrollen bewaffneter Gruppen. Diese Lage wird dann spielerisch aufgegriffen. Aber das ist schon stressig für die Betroffenen. Es gab auch immer mal Zwischenfälle, aber man muss schon sagen: Unsere Akzeptanz ist sehr hoch. Und darauf setzen wir. In Syrien oder Jemen zum Beispiel, da waren wir jahrelang im Einsatz, da waren wir einfach auch bekannt. Das hilft natürlich sehr.
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Bewundernswert, dass das Team diese schwere Aufgabe auf sich nimmt.
Johnen: Absolut. Alle haben natürlich die Möglichkeit, sofort zurückzukehren, wenn sie es wünschen. Aber es besteht in der Tat eine große Bereitschaft, sich einzusetzen. Und es sind ja wirklich unglaublich qualifizierte Leute dabei. Anscheinend ist es aber eben nicht nur belastend, sondern auch eine besondere Aufgabe, ganz konkret helfen zu können. Statt Ohnmachtsgefühl stellt sich ein Gefühl ein, dass man zur Hilfe beitragen kann.