Berlin. Forensik trifft auf Archäologie: Experten geben einem 1300 Jahre alten Skelett ein Gesicht. Ist es das Phantombild einer Prinzessin?
- Kann man einem über 1000 Jahre alten Skelett ein Gesicht geben? Die Antwort: ja!
- Forensiker haben das Gesicht einer vermutlich im siebten Jahrhundert gestorbenen Frau rekonstruiert
- Fest steht: Die Frau war kränklich und lebte nicht lange. Und es gibt einen Bezug zu Deutschland
Hew Morrison war fasziniert. Dieser Schädel war ihm vertraut. Nun sah er zu, wie das Gesicht Form annahm. Das Gesicht eines 1300 Jahre alten Skeletts.
Morrison ist ein forensischer Künstler. Forensiker kennt man aus Krimis. Sie untersuchen Leichen, sie stellen bei einem Mord vielleicht Todesursache- und Zeitpunkt fest. Sie können aber auch ein Gesicht rekonstruieren und Phantombilder erstellen. Und genau diese Fähigkeiten macht sich die Archäologie zu Nutze.
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Phantombild einer Frau von hohem Rang
Für Furore sorgt gerade eine Ausstellung im Museum für Archäologie und Anthropologie der berühmten Universität Cambridge: Forensiker Morrison hat das Gesicht der Frau aus dem siebten Jahrhundert nach Christus aufgrund der Messungen ihres Schädels und der allgemeinen Gewebetiefendaten rekonstruiert.
Eine junge Frau mit breitem Gesicht und markanten Kinn. Ihr linkes Auge lag laut Morrison etwa einen halben Zentimeter tiefer als ihr rechtes Auge. Die Haar- und Augenfarbe konnte er nur schätzen. Um sie genau zu bestimmen, hätte er DNA-Material haben müssen. Das Ergebnis hat auch so Fachleute verblüfft.
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Ernährungsgewohnheiten verraten Herkunft der Frau
Die Ausstellung wurde zur Leistungsschau moderner Archäologie. Sie zeigt, was man alles aus einem Skelett herauslesen kann, wenn Forensiker auf Archäologen treffen.
Schon 2012 waren die Artefakte aus der Beerdigung der "mysteriösen Frau" an der Südgrenze von Cambridge entdeckt worden, wie die Universität berichtet. Erst eine Isotopenanalyse der Knochen und Zähne brachte neue Erkenntnisse. Man könnte sie auf einen Nenner bringen: Verrat mir, was Du isst und ich sage Dir, wer Du bist.
Sie war Christin und kam wohl aus Süddeutschland
Die Bioarchäologen Sam Leggett und Alice Rose sind sich sicher, dass die Frau irgendwo aus dem Alpenvorraum kam, vermutlich aus Süddeutschland, und nach ihrem siebten Lebensjahr nach England zog. Eine Migrantin also.
Man erkannte, dass der Eiweißanteil ihrer Ernährung nach Ankunft des Mädchens um einen kleinen, aber signifikanten Betrag abnahm. Auf der Insel hat man sich zu der Zeit überwiegend vegetarisch ernährt. In Mitteleuropa wurden Fleisch und Milchprodukte hingegen gegessen.
Die Migrantin starb schon im Teenager-Alter
Die Frau war kränklich und lebte nicht lange. Sie starb demnach im Teenager-Alter und dürfte nur etwa 16 Jahre alt gewesen sein. Wie und woran genau sie starb, ist unklar.
Auf ihre süddeutsche Herkunft schließen die Archäologen auch aufgrund ihrer Bestattung: Sie wurde auf einem geschnitzten Holzbett liegend begraben. Das war auf der Insel zu der Zeit untypisch. In Großbritannien sind bisher insgesamt nur 18 Bettbestattungen aus dieser Zeit entdeckt worden.
Eine Prinzessin, die den Adel bekehren sollte?
Sie trug feine Kleidung und ein verziertes Kreuz aus Gold und wertvollen Granaten. Grabbeigaben sind eine heidnische Praxis. Die gehobene Bestattung, Kleidung und Kreuz weisen sie jedoch zum einen als Mitglied des Adels – eine Prinzessin? – und zum anderen als eine der frühesten Konvertiten Englands zum Christentum aus.
Fakt ist, dass das Skelett aus einer Zeit stammt, in der England gerade christlich wurde. Sie könnte also auch als Braut entsandt worden sein, um durch Heirat den angelsächsischen Adel zu bekehren. (san)
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