Niederbreitbach. . Trotz seiner schweren Behinderung setzt sich der 28-jährige Benni Over unermüdlich für den Regenwald auf Borneo und für seine Bewohner ein.
Winter ist Mist. Zu viel Kälte. Zu viele Menschen mit Schnupfen. Zu viel Lebensgefahr. Schon ein kleiner Infekt kann für Benni Over schlimme Folgen haben. Der 28-Jährige leidet an der extrem seltenen, unheilbaren Erbkrankheit „Muskeldystrophie Duchenne“. Seit seiner Pubertät ist er völlig gelähmt, seit einem Herzstillstand vor zwei Jahren ist er auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Es gäbe also Gründe, mit dem Leben zu hadern. Aber Benni Over lacht den Besucher von der Zeitung an. Und es gäbe Gründe, sich schwach zu fühlen. Aber der junge Mann im Rollstuhl ist zuversichtlich, er ist voller Pläne für die Zukunft. Er muss noch den Regenwald und die Orang-Utans retten.
Alles hat vor sechs Jahren angefangen. Da hat Benni Over im Zoo in Berlin den kleinen Orang-Utans beim Spielen zugesehen. Dann hat er sich im Internet schlau gemacht, hat erfahren, dass die Menschenaffen vom Aussterben bedroht sind. Ihr Regenwald wird abgeholzt, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Zu Weihnachten haben ihm die Eltern dann eine Patenschaft für ein verwaistes Affen-Baby in einer Auffangstation auf Borneo geschenkt: Henry.
Für die meisten wäre dann vermutlich Schluss gewesen mit dem Engagement. Nicht für Benni Over. Er hat ein Kinderbuch geschrieben: „Henry rettet den Regenwald“. Da zieht ein kleiner Affe hinaus in die Welt, trifft den Dalai Lama und den Papst, um mit einer Weltkonferenz das Abholzen des Regenwaldes zu stoppen. Und dann wird er sogar noch sehr freundlich im Weißen Haus empfangen. Aber Affe Henry beschleichen Zweifel: „Denn bis jetzt ist es immer nur bei Worten geblieben und nicht zu Taten gekommen.“
Der Affe Henry trifft den Papst und den Dalai Lama
Die Geschichte hat sich Benni Over selbst ausgedacht. Die Bilder hat eine seiner Inklusionshelferinnen gezeichnet. Benni Over hat sie dann mit dem angereichten Pinsel ausgemalt. Mehr lässt seine Einschränkung nicht zu. Das Buch ist inzwischen ein Bestseller. Beim Online-Lieferdienst Amazon steht es auf der Verkaufsliste der Kinder- und Jugendbücher zum Thema Umweltschutz ganz weit oben.
Vom Himmel gefallen ist dieser Erfolg nicht. Unermüdlich durchforstet der junge Rheinländer das Internet nach Adressen von Medien und Schulen. Er verschickt Info-Material, hält Vorträge, zeigt einen Trickfilm über die Geschichte des Affen Henry. Er schreibt auch Ärzte an und bittet sie, sein Buch im Wartezimmer auszulegen.
Dann wurde er zum Orang-Utan-Botschafter ernannt
Eine indonesische Tierschutzorganisation hat den Deutschen wegen seines großen Einsatzes zum „Orang-Utan-Botschafter“ ernannt und nach Borneo eingeladen. Vor drei Jahren war Benni Over mit seiner Familie dort, ließ sich im Rollstuhl von Helfern über unwegsame Wege bis zur Auffangstation tragen, hielt schließlich einen kleinen Affen auf seinem Schoß im Arm. Spätestens da waren die Orang-Utans und der Kampf um den Regenwald zur Lebensaufgabe geworden.
Ohne Unterstützung der Familie ginge dies alles nicht. Nach dem Herzstillstand ihres Sohnes vor zwei Jahren haben Vater Klaus und Mutter Connie ihre Berufe aufgegeben. Der ehemalige Marketing-Manager eines internationalen Konzerns und die gelernte Heilpädagogin haben nun mehr Zeit für ihren Benni und sein großes Projekt. Sie fahren ihn zu Vorträgen, helfen bei Korrespondenz und übersetzen bei Interviews, wenn seine Stimme mal wieder zu schwach ist. Und auch der zwei Jahre jüngere Bruder Florian hilft mit, fotografiert und dreht die Videos, die dann bei den vielen Klassenbesuchen gezeigt werden.
Vater Klaus Over war anfangs von der Wirkung überrascht: „Das Thema packt die Kinder total. Sie fiebern mit Benni und Henry aus der Bilderbuchgeschichte mit, wollen ihnen helfen. Dann gehen sie aus der Schule nach Hause und gucken sofort auf den Lebensmittelpackungen im Kleingedruckten, ob da Palmöl verwendet wurde.“
150.000 Bäume sollen in Indonesien gepflanzt werden
Mit seinem Sohn ist der Vater selbst zum Umwelt-Aktivisten geworden. Wenn Bennis Gesundheitszustand es mal nicht zulässt, einen Vortragstermin einzuhalten, übernimmt Klaus Over alleine. Er weiß, dass die schwere Behinderung seines Sohnes auch als Türöffner funktioniert. „Da denken viele zweimal drüber nach, bevor sie eine Anfrage ablehnen.“
Wer Benni Over begegnet, sieht die Behinderung, spürt aber gleich die positive Energie, die von ihm ausgeht. Es gibt so viel zu tun. Bei der Lehrermesse Didacta in Köln will er am Stand seines Buchverlags Kontakte zu Schulen knüpfen und Klassenbesuche vereinbaren. Und eine Spenden-Aktion unter dem Titel „Bennis Wald“ wird dieser Tage gestartet. 150.000 Bäume sollen in Indonesien gepflanzt werden. Und vielleicht reicht die Kraft ja doch nochmal für eine zweite Reise in den Regenwald. „Was Benni einmal im Kopf hat“, sagt der Vater, „das geht so schnell nicht wieder raus.“
>> INFO: SO KANN MAN SICH BEWERBEN
„Jung. Engagiert. Hilfreich.“ – unter diesem Motto steht in diesem Jahr der Solidaritätspreis von NRZ und Freddy-Fischer-Stiftung, der mit 7000 Euro dotiert ist.
Diesmal stehen Jugendliche und junge Erwachsene im Mittelpunkt, die sich ehrenamtlich einsetzen – das kann zum Beispiel der Teenager sein, der regelmäßig für betagte Nachbarn einkaufen geht, oder ein junger Mensch der im Sport eine Nachwuchsmannschaft trainiert.
Bis zum 15. April können Vorschläge eingereicht werden: per Mail mit dem Betreff „Solidaritätspreis“ an seitedrei@ nrz.de oder per Post an die Freddy-Fischer-Stiftung, Severinstraße 20, 45127 Essen.