Essen. Noch ist keine Lösung für die insolvente Kaufhaus-Kette in Sicht. Heute Krisentreffen im Wirtschaftsministerium.
Bernd Horn nimmt kein Blatt mehr vor den Mund. Die Stimmung der derzeit noch rund 2800 Hertie-Mitarbeiter sei nicht nur schlecht, „sie ist unerträglich”, sagt der Gesamtbetriebsratvorsitzende düster. Seit dem 31. Juli befinde sich die einst aus dem Karstadt-Konzern herausgelöste Kaufhauskette im vorläufigen Insolvenzverfahren. „Jetzt wartet jeder auf eine Entscheidung.”
Der Countdown läuft. Insolvenzverwalter Biner Bähr hatte sich bis Ende Februar Zeit gegeben, einen Investor zu finden, der entweder die Kette weiter betreibt und/oder die Immobilien der derzeit noch 54 Filialen kauft, um sie zu deutlich günstigeren Konditionen an Hertie zu vermieten. Die nach Ansicht des Insolvenzverwalters völlig überhöhten Mieten sind laut Bähr ein Grund für die Insolvenz der Kette. Deshalb könne es eine Rettung auch nur mit neuen Mietverträgen geben.
„Letzte Chance vertan”
Der wichtigste Hertie-Vermieter hat indes seinerseits die Verhandlungen bereits für beendet erklärt. Bähr habe die „letzte Chance auf Fortführung der insolventen Warenhauskette vertan”, teilte die niederländische Mercatoria Acquisition B.V. (MABV) mit. An der MABV ist der britische Hertie-Gesellschafter Dawnay Day beteiligt, der sich mittlerweile selbst in Insolvenz befindet. Laut Mercatoria sind die Gespräche mit Bähr ohne Ergebnis abgebrochen worden - nun sei man zuversichtlich, die Hertie-Immobilien anderweitig verwerten zu können.
Insolvenzverwalter Bähr lässt indes weiter Zuversicht verbreiten. „Wir haben mehr Gesprächspartner als nur Mercatoria - und Beteiligte mit deutlich mehr Entscheidungsgewalt”, so ein Hertie-Sprecher. Am heutigen Mittwoch trifft sich Bähr mit Experten im NRW-Wirtschaftsministerium. „Wir reden dort mit allen Beteiligten, die für eine Lösung wichtig sind”, sagt Bähr. Ob dann auch Mercatoria vertreten oder das Tischtuch zwischen den Niederländern und Bähr endgültig zerschnitten ist, blieb gestern offen.
Im Raum steht derweil, dass NRW Hertie mit einer Landesbürgschaft unter die Arme greift - doch auch die dürfte es nur geben, wenn ein tragfähiges Unternehmenskonzept, also die Zusage eines Investors vorliegt.
Unterdessen machen die Hertie-Beschäftigten ihrer Angst und ihrer Wut in einem offenen Brief Luft. Die Beschäftigten hätten die Krise nicht verursacht. Deshalb sei nun „umfassende Hilfe” für die von Filialschließungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter nötig. Man habe erleben müssen, wie Hertie „in den letzten 10 Jahren systematisch zerstört wurde”, schreiben die Betriebsräte.
Anfang des Jahres hatte Hertie noch 73 Filialen mit 3400 Mitarbeitern. Ende Januar hatte das insolvente Unternehmen angekündigt, unabhängig von einer möglichen Rettung der Kette 19 Filialen mit 520 Vollzeitstellen zu schließen. Das Schicksal der restlichen Häuser soll sich nun in wenigen Tagen entscheiden. (NRZ)