Essen. Die Wiederherstellung der Frauenrechte am Hindukusch hat einen schweren Rückschlag erlitten. Präsident Hamid Karzai hat ein Gesetz unterschrieben, das Unterdrückung und sexuelle Gewalt fördert - offenbar, um sich die Unterstützung schiitischer Kleriker zu sichern. Der Westen ist entsetzt.

Wenn deutsche Politiker über Afghanistan reden, dann reden sie gerne über die Erfolge, die bei der gesellschaftlichen Restauration des Landes nach dem Sturz der Taliban erzielt wurden. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul etwa spricht oft darüber, welche Fortschritte die Gleichberechtigung am Hindukusch macht, dort, wo auch deutsche Soldaten im Einsatz für Friedenssicherung und Wiederaufbau sind. Diese Fortschritte waren ohnehin immer klein, Gewalt gegen Frauen, Frühverheiratung und Unterdrückung sind weit verbreitet. Jetzt hat der afghanische Präsident Hamid Karzai ein Gesetz unterschrieben, das Frauenrechte in grotesker Weise einschränkt. Der Westen ist entsetzt.

Ehefrau muss ihrem Mann sexuell zu Diensten sein

Dieses Gesetz, das bereits Anfang März durch das afghanische Unter- und Oberhaus gepeitscht wurde, verpflichtet schiitische Frauen, ihren Männern sexuell zu Diensten zu sein. Es erlaube somit ausdrücklich die Vergewaltigung in der Ehe, warf die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, der afghanischen Regierung vor. Außerdem untersagt das Gesetz Ehefrauen, das Hau ohne die Erlaubnis ihrer Männer zu verlassen, zu arbeiten, oder Bildungseinrichtungen zu besuchen.

Dies erinnere, so Pillay, an die Herrschaft der Taliban. Afghanische Frauenrechtlerinnen nannten das Gesetz gar schlimmer als ähnliche Gesetze der fundamentalistischen Islamisten. Inkraft getreten ist es noch nicht, weil es dazu erst im Gesetzesblatt veröffentlich werden muss.

Auf Basis der Scharia und auf Druck schiitischer Kleriker

Die Schiiten stellen in Afghanistan ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung. Urheber des frauenfeindlichen Gesetzestextes, das auf der Scharia beruht – dem islamischen Recht, das in Afghanistan erlaubt ist – sind offenbar radikale schiitische Geistliche. Angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl habe Karzai mit ihnen wohl einen Deal ausgehandelt, meint Rachel Reid, die vor Ort für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch arbeitet. Reid kritisiert ebenso wie etliche afghanische Frauenrechtlerinnen, dass der Gesetzentwurf nahezu ohne Debatte verabschiedet worden sei. Öffentliche Kritik an dem Machwerk gebe es aber in Afghanistan kaum, berichtet Reid.

Auswärtiges Amt: "Ein schwerer Rückschlag"

Umso lauter ist die Kritik im Westen. „Falls das Gesetz in dieser Form in Kraft träte, wäre es ohne Zweifel ein schwerer Rückschlag für die Situation und die Rechte der Frauen in Afghanistan”, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Bundesregierung mache sich „ernste Sorgen” und stehe mit der afghanischen Regierung in Kontakt. Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte der NRZ, dieses Gesetz dürfe nicht Wirklichkeit werden. „Es widerspricht sowohl der afghanischen Verfassung wie auch den gemeinsamen Verabredungen in den Afghanistan-Konferenzen.”

Beifall gab es allerdings auch. Die Taliban begrüßten das Gesetz und kündigten an, es unterstützen zu wollen.