Bielefeld. Jan Zocha, einst „König der Bankräuber”, steht wieder vor Gericht. Bei einem Ausbruchsversuch verletzte er zwei JVA-Beamte schwer. Zeitweise raubte er Banken aus, wie andere Leute zur Arbeit gingen, in Essen, Krefeld, Düsseldorf. Er galt als unfassbar.

Was für ein verpfuschtes Leben! Und zumindest den zweiten Teil davon hat sich der Schwerkriminelle Jan Zocha (42) selbst zuzuschreiben. Durch die erste Hälfte jedoch trieben ihn äußerst ungünstige Umstände, und man darf auch heute noch spekulieren, was aus dem begabten und intelligenten Kind geworden wäre, hätte er nur halbwegs normal aufwachsen dürfen. Nun steht Zocha, der zeitweise Deutschlands meistgesuchter Verbecher war, erneut vor Gericht, diesmal in Bielefeld. Verantworten muss er sich wegen versuchter Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung, begangen an zwei Vollzugsbeamten im Februar 2008 im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Bielefeld-Brackwede.

Er galt als unfassbar

Hier sitzt Zocha wegen einer Vielzahl von Straftaten ein. Jan Zocha war mal „König der Bankräuber”. Schon als Jugendlicher wurde er straffällig und bis hin zum Bandenchef. Zeitweise, 2002 bis 2003, raubte er Banken aus, wie andere Leute zur Arbeit gingen, in Essen, Krefeld, Düsseldorf, mit Anglerhütchen, Jutetasche oder Sonnenbrille, er galt als unfassbar. Seine Methode, Pässe zu fälschen, war legendär, legendär auch die Geschichte von der Seniorin, der Zocha bei einem Überfall ihre Rente zurückgab. Ob sie stimmt? Sicher ist, dass er unzähligen Menschen schweren Schaden zugefügt hat, Bank- und Sparkassenmitarbeitern oder Kunden, die um ihr Leben fürchteten.

Eine Operation am Kopf

Mitglieder einer Spezialeinheit führen im Landgericht in Bielefeld den angeklagten Serienbankräuber Jan Zocha (M.) zur Anklagebank. Foto: ddp
Mitglieder einer Spezialeinheit führen im Landgericht in Bielefeld den angeklagten Serienbankräuber Jan Zocha (M.) zur Anklagebank. Foto: ddp © ddp

Als Jan Zocha im Sommer 2005 in Düsseldorf in Fußfesseln und hinter Panzerglas zu zwölf Jahren Haft plus anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, hatte er den Prozess arrogant-gelangweilt und schweigend verfolgt. Gestern saß ein dem Augenschein nach gebrochener Mann auf der Anklagebank, zu der er in Begleitung eines Sondereinsatzkommandos in Handschellen geführt worden war. Zocha ist aufgeschwemmt, hat den Kopf tief gesenkt, die Augen geschlossen, nestelt ungelenk am Pulli herum. Die Richterin klärt auf: Zocha habe eine Operation am Kopf hinter sich. Lähmungserscheinungen machten sie notwendig, zurzeit befindet er sich zur Rehabilitation in der JVA Fröndenberg.

Zocha scheint aber auch psychisch verwundet. Oder ist das nur eine Masche? Der Mann ist schwer zu begreifen. Einerseits macht er Abi und studiert in seiner Jugendhaft, andererseits plante er da schon wieder seinen nächsten Überfall. Einerseits macht er auf gute Führung, dann sägt er mit 23 Diamantfeilen seine Gitter durch. Weil er ein WM-Fußballspiel nicht sehen darf, plant er seinen Selbstmord. Um den auszuführen, schlägt er einen JVA-Beamten nieder.

Dass Zocha nun nicht hinter Panzerglas sitzt, hat er Richterin Jutta Albert zu verdanken: „Ich halte hier für Sie meinen Kopf hin, ich hoffe, Sie werden mein Vertrauen nicht enttäuschen!” Jan Zocha wird als Lehrersohn in Hamburg geboren. Seine Eltern hassen einander von ganzem Herzen. Der Vater schlägt die Mutter und die Kinder. Als die Mutter flieht, folgt er und erschießt sie und sich selbst. Jan Zocha ist sieben, als er zu Verwandten kommt, und es geht streng zu und lieblos. Dabei ist er intelligent, gut in der Schule. Er kommt in ein Internat, reißt aus und folgt seiner großen Liebe nach München, wird, weil minderjährig, aufgegriffen. Zwischen 18 und 20 verprasst er das Erbe seiner Eltern und startet seine kriminelle Karriere.

Eine Stunde am Tag darf er in den Hof

Deren vorläufiges Ende wird nun verhandelt. Seit 2007 bewohnte Zocha die Einzelzelle 6.207 Abt. C der JVA-Bielefeld. Sein Anwalt nennt seine Haftbedingungen „Isolation”, tatsächlich ist Zocha aber auch sonst ganz allein. Er darf Besuch empfangen, bekommt aber keinen. Eine Stunde am Tag darf er in den Hof, nur dann kann er auch mit anderen Häftlingen reden. Kleine Zugeständnisse hat er sich bereits erarbeitet: Porzellangeschirr, Tauchsieder, Besteck. Ein Teelicht-Feuerzeug jedoch gehört nicht dazu, dessen Ursprung gibt Rätsel auf. Am 18. Februar 2008 empfängt Zocha die Beamten J. (52) und B. (55) um sechs Uhr morgens mit zwei mit brühend heißem Wasser gefüllten Tetrapacks, die er ihnen ins Gesicht schüttet, randaliert danach mit einem Stuhlbein. Die Beamten stoßen ihn in die Zelle zurück, Zocha springt gegen die Tür, dann gibt es einen Knall. Zocha hat einen Sprengsatz gezündet, den er selbst gebastelt hat und der ihn verletzt.

„Lasst mich raus, ich hab' noch mehr davon!” brüllt er. Die Beamten können Hilfe holen. Klaus J. rettet ein Spezialist das Augenlicht. Lothar B. muss später den Dienst quittieren, er ist bis heute in psychiatrischer Behandlung. Jan Zocha drohen erneut mindestens fünf Jahre Haft, auch wenn er sich gestern bei seinen Opfern entschuldigte.