Das historisch schlechte Wahlergebnis vom Sonntag soll vom Kandidaten Steinmeier möglichst fern gehalten werden.

Anders als Gerhard Schröder, der einst am Zaun des Kanzleramts rüttelte („Ich will da rein.”), steht Frank-Walter Steinmeier vor einer Kellertür. Raus will er da, aber jemand scheint abgesperrt zu haben. Der Kanzlerkandidat, der Vorsitzende Franz Müntefering und die SPD finden keinen Weg nach oben.

Die Katastrophe, das historisch schlechte Ergebnis der letzten Europawahl noch unterboten zu haben, soll vom Kandidaten möglichst fern gehalten werden. Den Wahlkampf hat Steinmeier zwar mit Spitzenkandidat Martin Schulz plakativ gemeinsam bestritten, aber am Wahlabend und am Tag danach ist der Kandidat im Willy Brandt Haus nicht zu sehen.

Eine Formschwäche, die man noch nicht erlebt hat

Es ist Müntefering, der am Montag die Pressekonferenz erduldet. Aber es gibt auch Termine, die man nicht absagen kann. Weil die 21,5 Prozent von 2004 Zugewinne zu garantieren schienen, wurde Steinmeiers Auftritt am Sonntagabend bei Anne Will vereinbart. Dort sollte er frohen Mutes darüber reden, dass es aufwärts gehe mit der SPD. Dass es noch abwärts ging, versetzte den Kandidaten in eine Formschwäche, die man bei ihm noch nicht erlebt hat.

Mal defensiv, mal aggressiv reagierte er auf Fragen der Moderatorin oder Vorhaltungen von Dirk Martin vom Verband junger Unternehmer. Der kritisierte die Staatshilfe für Opel, weil der Steuerzahler dafür einstehen müsse. Steinmeier entrutschten beleidigte Sätze. „Es kann ja sein, dass Sie alles besser wissen.” Weil Anne Will sich in einem Formhoch wähnte und den Kandidaten mit einem Witzfilmchen über „Frank-Walter Superman” peinigte, wirkte die Sendung unangenehm.

Im Sommer 2004 demonstrierten Hunderttausende Menschen gegen Schröders Hartz-Reform, weshalb das Ergebnis bei der Europawahl kaum überraschte. In diesem Sommer will die SPD mit Staatshilfe möglichst viele Arbeitsplätze retten - und verstört noch mehr Wähler. Eine fundamentale Ratlosigkeit hat die SPD erfasst, die sich mit dem Blick auf den „Baron aus Bayern” (Schröder) noch vertieft. Ausgerechnet Wirtschaftsminister zu Guttenberg, der öffentlich eine Insolvenz von Opel erwog und nichtöffentlich seine Position mit einer Rücktrittsdrohung verteidigte, genießt in Umfragen großen Respekt. Auch der Blick nach Rheinland-Pfalz irritiert. Dort hat die SPD unter Ministerpräsident Kurt Beck bei den Kommunalwahlen leicht dazu gewonnen. Ausgerechnet der frühere Vorsitzende Beck, den die SPD im letzten Jahr für ihre Kellerlage verantwortlich machte, kann am Abend der großen Niederlage Erfolge verbuchen.

Müntefering räumt im Willy-Brandt-Haus ein, dass er nicht verstehe, was in den letzten Tagen passiert sei. Allen Prognosen zufolge hätte die SPD nach oben klettern müssen. „Das wird noch genauer zu betrachten sein.” Aber den Kurs hält Müntefering für richtig.

Die mangelnde Mobilisierung trotz eines Wahlkampfs, der sich auf die Herabsetzung der Konkurrenz konzentrierte, begründet die Ratlosigkeit der SPD. „Finanzhaie würden FDP wählen”: Die Plakate waren markant. Das Risiko, mit einer negativen Kampagne gerade in Krisenzeiten Wähler zu verschrecken, hielten die Strategen aus einem schlichten Grund für gering. Die SPD glaubt gar nicht daran, anderen Parteien Wähler wegnehmen zu können. Sie zielt nur darauf, für die Bundestagswahl die früheren SPD-Anhänger zu reaktivieren, die gar nicht mehr wählen wollen oder unentschlossen sind. Deshalb kündigt Müntefering für den Spätsommer weitere Zuspitzungen an. NRZ