London. Unternehmerfreundliche Reden im Parlament gegen Honorar, Steuergelder für Eigenheime, Glühbirnen, Hundefutter und Pferdemist - man muss schon ein Freund schwarzen Humors sein, um witzig zu finden, was sich britische Parlamentarier geleistet haben. Die Bürger jedenfalls sind stinksauer.
Als 1834 der Palast von Westminster brannte, standen die Londoner am Themseufer und klatschten vor Freude Beifall. Nun wünschen viele Briten, dass sich diese Feuersbrunst wiederholt. Doch die Reputation des Parlaments liegt sowieso schon in Schutt und Asche. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Skandale um die Spesenabrechnung der „ehrenwerten Mitglieder” den kochenden Zorn der Briten anheizen. Die Queen zitierte Premierminister Gordon Brown in den Buckingham Palast zu einem „freimütigen Gedankenaustausch”, in dem sie ihre Sorge über das wohl größte Entfremden zwischen dem Volk und seinen Vertretern bekundete.
Pferdemist für den Garten, Hundefutter auf Staatskosten
Pferdemist für den Garten, happige Rechnungen für ausgewechselte Glühbirnen und Hundefutter auf Staatskosten sorgten vielleicht noch für grimmiges Gelächter. Aber bei den nun aufgeflogenen Steuerbetrügereien einiger Abgeordnete, die gewöhnliche Wähler ins Gefängnis brächten, hört der Spaß auf. Gordon Brown suspendierte seinen früheren Landwirtschaftsminister Elliot Morley in der Labour-Fraktion. Der Abgeordnete hatte 18 Monate lang die Hypothekenzinsen als Spesen eingereicht, obwohl das Haus längst bezahlt war, das er als Dienstwohnung erklärte.
Der konservative Parteichef David Cameron zwang seinen parlamentarischen Chefberater zum Rücktritt. Der Abgeordnete Andrew MacKay und seine Frau, die ebenfalls im Unterhaus sitzt, besitzen zwei Häuser, die sie wechselweise zu Dienstwohnungen erklärten und dafür doppelt die Aufwandsentschädigung einstrichen. Shadid Malik, Labour-Abgeordneter und Staatsminister für Justiz, rechnete über drei Jahre hinweg fast 70 000 Euro als Aufwandsentschädigung für sein Londoner Haus als „Zweitwohnung” ab und gab gemietete Zimmer in seinem Wahlkreis als „Hauptwohnsitz” an.
Die Korruption stinkt zum Himmel
Auch am anderen Ende des Korridors, der das Unterhaus vom Oberhaus trennt, stinkt die Korruption aus den grünen Lederbänken zum Himmel. Lord Truscott und Lord Taylor von der Labour Fraktion im Oberhaus wurden suspendiert. Sie hatten sich gegenüber einem als Geschäftsmann getarnten Journalisten versprochen, gegen ein hohes Honorar unternehmerfreundliche Gesetze durch ihre Redebeiträge bei den Debatten günstig zu beeinflussen.
Dem sowieso schon schwer angeschlagenen Premierminister droht nun der Untergang im Spesenpfuhl. Zwar sanken auch die Chancen der Konservativen wegen ihrer Verwicklung in den Skandal um neun Punkte, aber Labour liegt nun mit 22 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Während David Cameron immerhin noch den Eindruck erweckt, dass er seinen Saustall energisch ausmistet, leidet Gordon Brown besonders unter dem Verfall der Moral, die er wieder und wieder als seinen „politischen Kompass” bezeichnete. Um zu retten, was noch zu retten ist versprach er, hart durchzugreifen: „Jeder Bürger kann sicher sein, dass ich das System komplett aufräumen werde. Wo immer sofortige disziplinarische Maßnahmen nötig sind, werde ich diese durchsetzen.”
Labour droht eine fürchterliche Wahlschlappe
Das wird ihn und seine Labour-Party wohl nicht mehr vor einer fürchterlichen Schlappe bei den Europawahlen retten, bei denen ein Platz auf dem vierten Rang droht. Wie viele der inkriminierten Abgeordneten bei den Parlamentswahlen nächstes Jahr antreten werden, ist noch fraglich. Der Bund der britischen Steuerzahler will nämlich Strafanzeige stellen. Die Karikatur im „Telegraph“ zeigt schon einen Abgeordneten in der Gefängniszelle, der in sein Handy brüllt: „Hallo Spesenabrechnungsstelle, ich möchte meine neue Zweitwohnung anmelden”.