Rom. Das „Institut für Religiöse Werke” soll in Geldwäsche-Geschäfte vestrickt sein. Die Kirchen-Bank wird vom Vatikan betrieben und steht nur einem ausgesuchten Kundenkreis offen. Die Vorwürfe erinnern an frühere Skandale - wie den um angebliche Mafia-Finanzierungen in den 90ern.
Erst im September hat Papst Benedikt XVI. der Vatikanbank eine neue Führung verpasst. Doch kaum hat sich der frisch ernannte Fünferrat hinter den dicken, spätmittelalterlichen Mauern des „Instituts für Religiöse Werke” (IOR) umgesehen, erwachen dort die alten Gespenster. Die Staatsanwaltschaft in Rom geht dem Verdacht nach, das IOR könnte wieder einmal in millionenschwere Geschäfte der Geldwäsche verstrickt sein.
Konkret wollen die italienischen - in diesem Sinne also ausländischen - Staatsanwälte wissen, wer hinter einem Girokonto steckt, das bei einer italienischen Bankfiliale unmittelbar vor den Vatikanmauern eröffnet worden ist. Über dieses Konto, das auf den Namen „IOR” lautet, sollen seit 2003 jährlich bis zu 60 Millionen Euro an dubiosen Überweisungen getätigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft beklagt sich, die Ermittlungen würden erschwert durch jenen „undurchsichtigen Schirm”, der die Vatikanbank schütze. Sie weisen aber auch darauf hin, dass das fragliche Konto nicht unbedingt dem Vatikan gehören müsse; es könne unter falschem Namen auch von anderen betrieben worden sein.
Neuer Präsident sollte für Transparenz sorgen
Eigentlich hatte der Papst für Transparenz sorgen wollen, als er den 64-jährigen Mailänder Banker Ettore Gotti Tedeschi zum neuen Präsidenten des IOR berief. Gotti Tedeschi leitete nicht nur den italienischen Zweig der spanischen Santander Consumer Bank, sondern lehrte auch Finanzethik an der Katholischen Universität Mailand, schrieb Kommentare gegen den „Turbokapitalismus” in der vatikanischen Zeitung „L'Osservatore Romano” und hat an der päpstlichen Sozialenzyklika mitgearbeitet.
Gotti Tedeschis Berufung kam überstürzt, denn erst kurz zuvor hatte der Vatikan das Mandat seines Vorgängers, Angelo Caloia, bis 2011 verlängert. Die Gründe für die vorzeitige Ablösung Caloias liegen im Dunkeln. In Rom spekuliert man, ein im Sommer erschienenes Buch über die „Vatikan AG” habe den vordem als Saubermann geschätzten Banker allzu sehr angekratzt. Dort steht zu lesen, über das IOR seien bis in die 90er Jahre auch Finanztransaktionen zugunsten der sizilianischen Mafia gelaufen, von jenen illegalen Parteispenden abgesehen, die 1992 in Italien zum Sturz der „alten Republik” geführt hatten.
Die Vatikanbank ist eine der geheimsten Einrichtungen der Weltfinanz. Sie veröffentlicht keine Bilanz, unterstellt sich keinen internationalen Kontrollen und ist ein Steuerparadies mitten in Italien. Ihr Vermögen wird auf fünf Milliarden Euro geschätzt; außerdem liegt in den Tresoren angeblich mehr als eine Tonne Gold.
Für die Justiz unerreichbar
Als Kunden für die derzeit etwa 44 000 Konten werden nur Kleriker, Vatikanbeschäftigte und kirchliche Einrichtungen wie Ordensgemeinschaften oder Verbände zugelassen - allerdings auch eine kleine Schar ausgesuchter, kapitalkräftiger Laien, die sich verpflichten, zur Finanzierung der Kirche in aller Welt beizutragen, also jene „Religiösen Werke” mitzubezahlen, für die das IOR 1942 gegründet worden ist. Man sagt in Rom, prinzipiell finde jeder, der über Beziehungen verfüge, einen kirchlichen Titel, unter dem er sein Geld beim IOR anlegen könne - und das, nach den Regeln des Vatikan, auch noch steuerfrei.
Seine dunkelste Zeit hatte das IOR in den 70er Jahren, als es sich unter dem US-Kardinal Paul Marcinkus auf die kriminellen Geldgeschäfte der Mailänder Banco Ambrosiano und ihres Chefs Roberto Calvi einließ. Calvi wurde 1982 erhängt unter einer Brücke in London gefunden, seine Bank brach unter ihrer Schuldenlast zusammen – und der Vatikan zahlte 244 Millionen US-Dollar Schadenersatz an die Ambrosiano-Gläubiger, „freiwillig und ohne Schuldeingeständnis”, wie es hieß. Für die italienische Justiz war das IOR und seine Schuldigen sowieso nicht erreichbar. Ausland eben. (NRZ)