Die Stasi-Enthüllungen in Brandenburg zeigen, Dass noch viel aus der DDR-Vergangenheit aufgearbeitet werden muss.
In Brandenburg ist die ehemalige Staatssicherheit an die Schalthebel der Macht zurückgekehrt- so scheint es jedenfalls. Denn ob Fraktionschefin, Landtagsvizepräsidentin, innen- und kulturpolitischer Sprecher und nicht zuletzt der Landeschef der neuen Regierungspartei - sie alle stellten sich einst in den Dienst des Spitzelsystems.
Tatsächlich war die Stasi ja nur das „Schild und Schwert” der Partei, die sich einst SED nannte und die es während der friedlichen Revolution geschickt verstand, Wut und Zorn der Opfer und vieler Bürger auf ihren eigenen Überwachungs- und Unterdrückungsapparat abzulenken. Auch deshalb existiert sie in Gestalt der Linkspartei heute weiter.
Dass die dunklen Stellen in der Vergangenheit vieler Linkspolitiker in Brandenburg sichtbar wurden, ist nicht wirklich verwunderlich. Denn in der Mark hatten es die einstigen Täter besonders einfach, gab es doch nach 1990/91 nie wieder eine Überprüfung der Abgeordneten. Dies wird jetzt endlich nachgeholt und man wird sehen, ob es auch Parlamentarier anderer Fraktionen trifft. Gleichwohl dürfte es nur die Spitze des Eisbergs sein, die jetzt aus dem märkischen Sand aufgetaucht ist
Vor 20 Jahren spitzelten noch rund 200 000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) für das Mielke-Ministerium. Im Laufe der vier Jahrzehnte der DDR waren es insgesamt über 600 000 Menschen, die sich freiwillig oder unter Druck dazu hergaben, Kollegen, Freunde und manchmal sogar die Ehefrau auszuhorchen. Diese IM wurden in der Regel gezielt angeworben, um Informationen zu gewinnen.
Die Wirtschaft ist ein graues Feld geblieben
Neben Regimegegnern und Kirchen war insbesondere die Wirtschaft ein Bereich, für den sich die Stasi interessierte. Gerade erst musste der Chef der Industrie- und Handelskammer Dresden entsprechende Kontakte einräumen. Normalerweise werden aus diesem Bereich kaum IM-Fälle öffentlich. Im Gegensatz zu den Landesparlamenten, wo es mit Ausnahme Brandenburgs regelmäßige Durchleuchtungen gibt, und dem Öffentlichen Dienst, in dem zumindest anfangs genaue Prüfungen die Regel waren, ist die Wirtschaft ein weites graues Feld geblieben. Anders als in den ersten Jahren nach der Einheit, als nur ein Bruchteil der heute bekannten Akten vorlag, wäre eine Überprüfung heute sinnvoller. Doch sie ist politisch nicht mehr im großen Stil gewollt.
Tatsächlich aber, darüber sollte man sich keine Illusionen machen, sind die Täter mitten unter uns. Ihr Schweigen und das andauernde Leid der Opfer liegen dicht beieinander. Der Blick in die Stasi-Akten ist bislang ein individueller geblieben. In der ostdeutschen Gesellschaft findet eine Auseinandersetzung zwischen Systemträgern, Mitläufern, Oppositionellen und Opfern kaum statt. Offenbar haben viele weiterhin mit den Nachwirkungen der DDR so zu kämpfen, dass sie für eine offensive Geschichtsdebatte noch nicht bereit sind.
Gewiss nicht in der Sache, aber in der Reaktion ist die Lage in den neuen Ländern durchaus vergleichbar mit der Situation in der alten Bundesrepublik vor 1968: Söhne und Töchter stießen damals bei ihren Eltern und Großeltern häufig auf eine Mauer des Schweigens. Viele fühlten sich bei Fragen nach der Vergangenheit direkt angegriffen, weil sie sich für ihre damalige Anpassung oder den Rückzug in die private Nische schämten. Doch die Fragen werden kommen.
Der gesellschaftliche Druck ist noch nicht groß genug
In der alten Bundesrepublik hat es lange nur wenige interessiert, dass der frühere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger schon 1933 in die NSDAP eingetreten war und bis 1945 Mitglied blieb. Doch eines Tages wurde der gesellschaftliche Druck so stark, dass ein Nazi-Richter wie Hans Filbinger seinen Hut als Ministerpräsident nehmen musste. So weit ist es in Ostdeutschland noch nicht.
In Brandenburg wurden die Fraktionschefin und der Landeschef der Linken in Kenntnis ihrer Täter-Biografien gewählt. Doch seit der Enttarnung jener Spitzel bei den SED/PDS-Nachfolgern, die weiter täuschten und tricksten, haben die Linken in der Mark bei den jüngsten Umfragen gut ein Viertel ihrer Wähler verloren. Das ist kein schlechtes Zeichen. Zwischen dem Ende der NS-Diktatur und dem Beginn des gesellschaftlichen Aufbruchs im Westen lagen 23 Jahre.
Die DDR ging vor 20 Jahren unter. NRZ