Datteln/Münster. Im Streit um die Eon-Kraftwerksbaustelle blicken die Parteien zurzeit nach Leipzig: Dort muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, ob es eine Revision gegen das Urteil des OVG Münster zulässt. Sollte sie das nicht tun, müsste die Bezirksregierung den totalen Baustopp erlassen.

Das juristische Tauziehen um die Kraftwerksbaustelle in Datteln hält an. Alles blickt nach Leipzig - ob das Bundesverwaltungsgericht als höchste juristische Ebene eine Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster (OVG) vom 3. September zulässt, das dem umstrittenen Kraftwerksbau die planungsrechtliche Grundlage entzogen hatte.

Eine Entscheidung ist derzeit nicht absehbar. Bislang hat Betreiber Eon noch gar nicht die Gründe schriftlich dargelegt, warum man überhaupt in Revision gehen will. Die Juristen brüten über Formulierungen; gleichzeitig geht es aber wohl darum, Zeit zu gewinnen und alle Fristen tunlichst auszuschöpfen.

Ministerium drückt aufs Tempo

Denn: Nicht nur Anwälte arbeiten in der Sache unter Hochdruck, auch Planer. Für sie geht es darum, dem knapp eine Milliarde Euro teuren Kraftwerk doch noch eine planungsrechtliche Grundlage geben – eine, die sich mit dem OVG-Urteil verträgt. Dass das gelingen kann, davon zeigten sich Vertreter aller beteiligten Planungsbehörden bei einer Besprechung im NRW-Wirtschaftsministerium überzeugt. Die vom Gericht beanstandeten Mängel seien samt und sonders „heilbar”, hieß es.

Anträge abgelehnt

Münster. Kraftwerksbetreiber Eon und die Stadt Datteln haben vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) erneut eine Schlappe hinnehmen müssen.

Mit umfangreichen Anträgen hatten sie bemängelt, dass das OVG-Urteil vom 3. September vermeintlich falsche Angaben zum Flächenverbrauch des Kraftwerks, der CO2-Bilanz und zur Entfernung zu den nächsten Wohnhäusern beinhalte.

Die umfangreichen Anträge, alles in allem vierzig Seiten, seien jedoch vom Gericht kurz und bündig zurückgewiesen worden, berichten die Umweltschützer vom BUND. Der Anwalt des Privatklägers, Philipp Heinz, vermutet, dass Stadt und Konzern auf diese Weise bessere Chancen auf eine Zulassung der Revision durchs Bundesverwaltungsgericht erzielen wollten. „Das ist gründlich daneben gegangen”, meint Anwalt Heinz.

Auf der Baustelle selbst ruhen die Arbeiten in weiten Teilen – nachdem Umweltschützer sowie der Privatkläger einzelne Teilgenehmigungen mit weiteren Klagen angegangen waren. Im Bereich der Silos etwa darf Bauherr Eon derzeit nur Sicherungsarbeiten durchführen, um die Baustelle winterfest zu machen. Diese Arbeiten ziehen sich wohl auch noch etwas hin.

Die Zeit drängt. Sollten die Leipziger Richter eine Revision nicht zu lassen, müsste die Bezirksregierung Münster umgehend einen totalen Baustopp erlassen, was sie bisher vermieden hatte. Das Wirtschaftsministerium jedenfalls drückt aufs Tempo und will den Standort dieses und anderer Kraftwerke umgehend im Landesentwicklungsplan verankern. Dass der Standort sich bisher nicht mit der Landesplanung verträgt, war ein Kritikpunkt der OVG-Richter.

Neuer Plan bereits in Arbeit

Ein neuer Plan, der LEP 2025, ist ohnehin in Arbeit, ein Entwurf liegt bereits vor. „Das Energiekapitel wollen wir noch vor der Weihnachtspause auf den Weg bringen”, erklärte ein Sprecher von Ministerin Thoben auf NRZ-Nachfrage. Erfahrungsgemäß könne es binnen drei Monaten unter Dach und Fach sein.

Deutlich länger, ein Jahr und mehr, dürfte ein neuer Bebauungsplan auf sich warten lassen. Zumindest offiziell gibt es hier noch kein Signal, dass die Stadt einen neuen Plan aufstellen will. Aus Dattelner Sicht dürfte da jedoch kein Weg daran vorbei führen. Schon allein um etwaigen Millionen schweren Schadensersatzforderungen von Eon zu entgehen, darf die Stadt nichts unversucht lassen, um das Riesenprojekt zu retten.

Sorge um die Lippeauen

Hier, auf kommunaler Ebene, gilt es ungleich mehr Hausaufgaben zu erledigen als auf Landesebene. Die OVG-Richter etwa bemängelten, dass sich die bisherige Planung zu wenig mit dem Störfallrisiko und dem geringen Abstand zur Wohnbebauung auseinandergesetzt hat. Diese Auseinandersetzung müsste ein neuer Bebauungsplan leisten.

Bedenken hatten die Richter auch wegen der Frage, ob Mensch und Umwelt in der Nähe des Kraftwerks genügend vor dessen Schadstoffen geschützt werden. Die besondere Sorge - abseits der Wohngebiete - gilt dabei die Lippeauen, ein Schutzgebiet von europäischer Bedeutung. Vor allem Stickstoff könnte dem Biotop gefährlich werden. Erste Prüfergebnisse einer von der Bezirksregierung angestoßenen Verträglichkeitsprüfung zeigen offenbar, dass die Belastung händelbar ist.