Washington. Eine Mehrheit der US-Amerikaner ist skeptisch, ob der Krieg in Afghanistan sinnvoll ist. Nur ein Viertel ist für eine Truppenaufstockung.

Der „German Marshall Fund” hat in seiner jüngst veröffentlichten Umfrage zum Stand der transatlantischen Beziehungen einen erstaunlichen Einstellungswandel in Europa ausgemacht. Demnach erhält US-Präsident Barack Obama in der alten Welt Popularitätswerte von fast 77 Prozent. Verglichen mit knapp 19 Prozent für Amtsvorgänger George W. Bush entspricht das einem Zuwachs, wie ihn Demoskopen in den letzten 50 Jahren der transatlantischen Beziehungen nicht feststellen konnten.

In Deutschland ist die „Obamania” mit einer Zustimmung von 92 Prozent besonders ausgeprägt. Was dem US-Präsidenten bei seinem größten sicherheitspolitischen Kopfschmerz - dem Krieg in Afghanistan - jedoch wenig hilft. Selbst wenn Obama sich mit einem persönlichen Appell an die Deutschen richtete, mehr als Truppen nach Afghanistan zu schicken, stieg die Bereitschaft dazu nur von sieben auf dreizehn Prozent.

Obama hält sich mit Kritik an Deutschland zurück

Nicht einmal ein Drittel der Europäer unterstützte eine Eskalation des Krieges, während deutliche Mehrheiten eine Rückzugsstrategie verlangen. Was erklärt, warum das Weiße Haus die deutsche Bundesregierung nach der Luftschlagpanne von Kunduz öffentlich mit Samthandschuhen anfasste. Die Spannungen kamen aus den Reihen des US-Militärs, dem die Einschränkungen beim Einssatz der 4200 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan schon lange ein Dorn im Auge sind.

Obama kann nicht das geringste Interesse daran haben, durch eine öffentliche Schelte Berlins die Bereitschaft der Deutschen noch weiter zu schwächen, sich am Hindukusch zu engagieren. Stattdessen scheint das Weiße Haus offen zu sein, für den Vorschlag von Briten, Deutschen und Franzosen, eine internationale Afghanistan-Konferenz einzuberufen, die berät, wie die Afghanen schneller mehr Verantwortung übernehmen können.

In den USA zeichnet sich eine parallele Entwicklung ab. Eine Mehrheit der Amerikaner zeigt sich nun skeptisch, ob sich der Einsatz weiter lohnt. In einer aktuellen CBS-Umfrage äußern nur 25 Prozent der Befragten Unterstützung für die mögliche Entsendung weiterer Truppen. 44 Prozent wünschen sich den Beginn eines geordneten Rückzugs.

Einen lautstarken Fürsprecher erhalten die Kriegsgegner nun mit dem mächtigen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im US-Senat. Frisch zurück von einer Reise nach Afghanistan erklärte Carl Levin, er sei gegen die Entsendung weiterer Truppen bevor die USA nicht das Training der afghanischen Sicherheitskräfte beschleunigten. Womit Levin in eine ähnliche Richtung zielt wie die Europäer.

Das Weiße Haus in der Zwickmühle

Auch die Sprecherin im Repräsentantenhaus Nancy Pelosi signalisierte US-Präsident Obama, dass es in den Reihen der Demokraten wenig Unterstützung für zusätzliche Truppen gibt. Damit gerät das Weiße Haus in die Zwickmühle. Dürfte der neue US- und Nato-Befehlshaber Stanley McChrystal doch schon bald bis zu 40 000 zusätzliche GI's anfordern. Verkompliziert wird die Entscheidung durch die massiven Wahlfälschungen in Afghanistan, die die Legitimität eines möglichen Wahlsiegers Hamid Karzai in Zweifel ziehen.

Das Weiße Haus spielt auch wegen der schwierigen Verhandlungen um die Gesundheitsreform auf Zeit, die keine weiteren Spannungen mit der Parteilinken erlauben. Doch weder daheim noch mit Blick auf die transatlantischen Partnern wird er damit auf Dauer an einer unangenehmen Weichenstellung vorbeikommen. Acht Jahre nach dem 11. September steht der Krieg in Afghanistan ab einer Wegscheide.