Was Merkel auf der Klausur anspricht, anpackt, ausklammert oder aussitzt.

„Wie ein Zauberschloss” liege Meseberg da, so hat der Dichter Theodor Fontane einst das heutige Gästehaus der Bundesregierung beschrieben. Das Barockschloss ist nicht der schlechteste Ort für Kanzlerin Angela Merkel, um nach dem holperigen Start der Regierung mit dem Kabinett für zwei Tage in Klausur zu gehen. Sie will das Jahr 2010 planen, den Haushalt zumal, ferner drei Militäreinsätze verlängern und nicht zuletzt „die Teambildung” fördern, wie es in Regierungskreisen heißt. Auf gut Deutsch: Sie wollen heute einen gemütlichen Abend ohne Zeitdruck, ohne Zwänge und ohne Mitarbeiter verbringen.

Die Fraktionschefs von Union und FDP bleiben fern. Sie sitzen nicht im Kabinett, und zumindest Unionsmann Volker Kauder lernt aus Erfahrungen. Zu Zeiten der großen Koalition hat die SPD auf so einer Klausur der Union die Einführung des Mindestlohns politisch untergejubelt. Kauder musste hinterher seiner Fraktion das Unerklärliche erklären. Das passiert ihm nicht noch einmal.

Zum Auftakt stellt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Rahmendaten des Etats vor. Mit 87 Milliarden Euro steht die Nettoneuverschuldung fest. Sparaktionen sind nicht zu erwarten. Die FDP beharrt auf Steuersenkungen und will Schäuble politisch festnageln.

Neues Konzept für Afghanistan muss her

Morgen soll das Kabinett ein Afghanistan-Konzept beschließen und unter anderem die dortigen Militäreinsätze ISAF und Enduring Freedom um jeweils ein Jahr verlängern. Der Aufbau der Polizei unter deutscher Verantwortung blieb dort bisher hinter den Erwartungen zurück. Da müsste sich Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) ein neues Konzept einfallen lassen.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) dürfte den Auftrag erhalten, Anfang 2010 Konzept, Zeitplanung und Besetzung einer Kommission vorzulegen, die ein Reformkonzept für das Gesundheitswesen erarbeiten soll. Entscheidungsreif sind auch die Pläne für eine Neuordnung der Jobcenter, die Fachminister Franz Josef Jung vorbereitete.

Der Etat wird diskutiert, aber erst am 16. Dezember beschlossen. Opel dürfte ein Thema sein. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der US-Mutterkonzern General Motors schnell ein Konzept vorlegen wird. Den Amerikanern ist nicht verborgen geblieben, dass im Mai 2010 in NRW gewählt wird; je näher am Wahltermin, desto stärker lastet der Druck auf die Regierung, öffentliche Hilfen zu geben. Der neue Wirtschaftsminister Rainer Brüderle verhehlt seine Skepsis nicht.

Ausgeklammert wird das Thema Atomausstieg. Das heißt: Die etwaige Verlängerung der Restlaufzeiten von Kraftwerken. Union und FDP wären schon froh, wenn in Meseberg der Streit darüber beigelegt werden könnte, wer für Energiepolitik zuständig ist, Umweltminister Röttgen oder doch Brüderle.

Zwist im Kabinett vorprogrammiert

Ein Politikum ist die Besetzung des Beirats der Stiftung „Flucht, Vertreibung Versöhnung”. Der Bund der Vertriebenen will heute darüber beraten, und falls die Wahl auf seine Präsidentin Steinbach fällt, ist der Zwist im Kabinett programmiert. Denn Außenminister Westerwelle nimmt Rücksicht auf Polen, das die CDU-Politikerin Steinbach ablehnt. Prognose: Der Streit wird schlicht ausgesessen.

Schon unter Rot-Grün und in der großen Koalition war das Kabinett in Klausur gegangen. Damals spottete FDP-Mann Dirk Niebel über die „Minis-ter-Landverschickung”. Nun ja, das Sein bestimmt das Bewusstsein. Inzwischen gehört er selbst zum Kabinett und natürlich hat der Entwicklungsminister nicht abgesagt. Was kümmert ihn sein Geschwätz von gestern? NRZ