Der Streit zwischen Russland und der Ukraine gibt der umstrittenen Leitung Auftrieb. Auftrag für Mülheimer Europipe.

Der Streit zwischen Russland und der Ukraine ums Gas ist nicht neu. Schon in den neunziger Jahren führte die Entnahme von Erdgas für den Westen aus den Transitpipelines zu Spannungen zwischen den Ländern. Russland drohte stets damit, den Gashahn zuzudrehen. Wie schon 2006 wurde die Drohung auch in diesem Jahr in die Tat umgesetzt. Die Russen wissen aber auch um ihre Schwachstelle. 80% der für den Westen bestimmten Gaslieferungen des russischen Gazprom-Konzerns strömen durch das Transitland Ukraine. Um seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen, ist Russland damit immer auch ein Stück von der Ukraine abhängig. Schon lange wird deswegen der Bau einer Gasleitung durch die Ostsee erwogen.

Der russische Gaskonzern Gazprom hat großes Interesse daran, durch eine solche Leitung die herkömmlichen Transitländer zu umgehen. Westeuropa wiederum ist grundsätzlich an einer breiten Vielfalt seiner Versorgungsrouten interessiert. Die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine machten die große energiepolitische Bedeutung einer Ostseepipeline deutlich, sagt Bernhard Reutersberg, der Chef des größten deutschen Gasimporteurs Eon Ruhrgas.

Lange Zeit galt das Projekt gegenüber der mittlerweile realisierten Jamal-Europa-Pipeline, die durch Weißrussland und Polen verläuft, als unwirtschaftlich. Da inzwischen aber von einer sprunghaft wachsenden Erdgasnachfrage in Europa und einer drastischen Zunahme der Importe ausgegangen wird, wurde die Ostseeleitung Nord Stream in Angriff genommen. Im September 2005 unterzeichneten Gazprom, die BASF und Eon eine Grundsatzvereinbarung zum Bau der Röhre durch die Ostsee. Sie gründeten hierzu das Gemeinschaftsunternehmen Nord Stream AG, deren Aufsichtsrat vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder geführt wird. Inzwischen hat sich auch die niederländische Gasunie dem Unternehmen angeschlossen. Politischer Widerstand der Anrainer verzögerte indes immer wieder die Planung.

Gas für 25 Millionen europäische Haushalte

Die Pipeline soll in der Nähe von Greifswald anlanden und aus 2 jeweils etwa 1220 Kilometer langen parallelen Strängen bestehen. Geplant war zunächst, die 1. Trasse 2010 mit einer Transportkapazität von circa 27,5 Mrd Kubikmetern Erdgas pro Jahr in Betrieb zu nehmen. Inzwischen wird mit der Fertigstellung erst Ende 2011 gerechnet. Mit dem projektierten 2. Pipelinestrang 2012 würde sich die Transportkapazität auf circa 55 Mrd Kubikmeter verdoppeln. Damit könnten rechnerisch mehr als 25 Mio europäische Haushalte mit Energie versorgt werden.

Die Kosten für das Projekt sind im Laufe der Zeit kräftig hochgeschnellt, von ursprünglich gut 6 Mrd € auf inzwischen 7,4 Mrd €. Schon vor gut einem Jahr hatte die Nord Stream den Milliardenauftrag zur Fertigung der Pipelinerohre an Europipe vergeben, ein Gemeinschaftsunternehmen der Salzgitter Mannesmann und der Dillinger Hütte. Europipe wird circa 75% der Rohre für den 1. Strang liefern. Produziert werden sie in Mülheim.

Nach den Verträgen sollen beim Baubeginn der Pipeline bereits annähernd ein Drittel der Rohre an verschiedenen Logistikstandorten lagern. Europipe hat nach eigenen Angaben bisher mehr als 280 000 Tonnen Rohre ausgeliefert. (NRZ)