Washington. Kein Präsidentschaftskandidat hat sich bisher so erfolgreich im Internet präsentiert wie der Demokrat Barack Obama.
Der Mann geht neue Wege. Sollte Barack Obama am 4. November zum 44. Präsidenten der USA gewählt werden, dann wäre er nicht nur der erste Präsident afroamerikanischer Abstammung, sondern auch der erste Präsident, der in Computerspielen für sich geworben hat. In den Online-Updates von Spielen wie „Guitar Hero” (Musik), „Burnout Paradise” (Autorennen) und „Madden NFL 09” (Football) taucht der Kandidat auf virtuellen Plakatwänden auf.
Durch einen Mausklick werden Spieler - meist jüngere Männer, eine traditionell schwierig zu erreichende Wählergruppe - auf die Webseite des demokratischen Präsidentschaftskandidaten gelockt. Ob das erfolgreich ist, wird man sehen. Aber eines der erfolgreichsten Wahlkampfinstrumente Obamas ist definitiv das Musikvideo von Will.I.Am, Rapper der Band Black Eyed Peas. Stars und Unterstützer Obamas verwandeln eine seiner Reden in die Gospelnummer „Yes we can”. Der Song hat im Internet innerhalb kurzer Zeit Kultstatus erlangt und wurde bei YouTube schon über zehn Millionen Mal abgerufen.
Howard Dean war das Vorbild
Welche Chancen das Internet für Wahlkämpfer bietet, wurde schon 2004 bei der Kandidatenkür der Demokraten deutlich. Der anfangs vom Partei-Establishment belächelte Vermonter Gouverneur Howard Dean schaffte es als erster, einen auf dem Web basierenden Wahlkampf zu inszenieren. Durch eine Kombination von Blogs, Online-Wahlkampfspenden und der virtuellen Organisation gelang es Dean, eine motivierte Anhängerschaft zu mobilisieren und den damaligen Spendenrekord von Bill Clinton zu brechen. Erst ein verpatzter Fernsehauftritt am Rande der Vorwahlen in Iowa, der in einem hysterischen Schrei endete („Dean-Scream”), brachte ihn ins Hintertreffen.
Barack Obamas Kampagne hat sein ursprüngliches Erfolgsrezept übernommen und verfeinert. Gezielt wurden Handynummern und Mailadressen von Unterstützern gesammelt. Bereits nach wenigen Stunden kommen automatisch generierte SMS oder Mails, die den potenziellen Wähler mit dem Vornamen ansprechen und einen Link zur Homepage des Kandidaten beinhalten.
Diese ist das Herzstück der Kampagne. Hier sind es vor allem die kurzen Web-Videos, in denen Obama seine Positionen erläutert. So schaffte er es, seine Botschaften einem Millionenpublikum zu vermitteln, ohne Werbezeiten im US-Fernsehen buchen zu müssen. Über seine Webseite hat es der 47-Jährige geschafft, mehr als eine Milliarde Dollar an Wahlkampfspenden zu generieren. Mehr als jeder andere zuvor.
Sein Wahlkampfteam geht dorthin, wo die Menschen im Internet sind: in die sozialen Netzwerke. Obama ist überall. Bei MySpace und Facebook, mit Bildern bei Flickr, und mit einem Fernsehkanal bei You Tube. Bei Twitter, einem mobilen Blog, können die Anhänger verfolgen, wo der Kandidat gerade wahlkämpft: „Bin auf dem Weg zur TV-Debatte heute Abend. Ich hoffe, ihr schaut alle zu!”, lautet eine Botschaft.
Exklusive Inhalte für die Anhänger
Dafür hat sich mittlerweile der Begriff „Facebook-Politics" etabliert. Er beschreibt die „gefühlte Nähe” zum Wähler. Experten schätzen, dass Obama auf den verschiedenen Kanälen mit zehn bis elf Millionen Bürgern direkt kommuniziert. Doch der Senator bedient sich nicht nur der Online-Plattformen. Er füttert sie auch mit exklusiven Inhalten. So wurde sein „Running Mate” und Vize-Kandidat Joe Biden zunächst per SMS 2,9 Millionen Anhängern vorgestellt. Marktforscher von Nielsen sprachen danach vom „größten mobilen Marketingereignis der USA”.
Während Obama auf allen Kanälen präsent ist, blamiert sich der politische Gegner dort kräftig. Die glänzenden Darbietungen der Komödiantin Tina Fey, die McCain-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin in der Fernsehesendung „Saturday Night Live” parodiert, genießen Kultstatus im Netz. Die Zusammenschnitte ihrer missratenen Interviews bei YouTube haben einen ähnlichen Effekt wie der sogenannte „Dean-Scream”. Die Geheimwaffe „Hockey-Mom” - ein Spitzname Palins - ist zumindest im Internet zum Rohrkrepierer geworden. (NRZ)