Essen. Rechte Verführer schüren Wut mit Lügen und Desinformation. Es braucht dagegen mehr als einen Aufstand der Anständigen.
Vor einem Jahr war Deutschland in Aufruhr. Millionen Menschen demonstrierten für die Demokratie und gegen ihre Verächter. War es ein letztes Aufbäumen? Seit den Massenprotesten hat die in Teilen rechtsextreme AfD bei drei Landtagswahlen in Ostdeutschland jeweils ein Drittel der Wählerstimmen geholt. Bundesweit liegt sie in Umfragen stabil bei etwa 20 Prozent. Das ist doppelt so viel wie bei der Bundestagswahl im Jahr 2021. Die Parteien der Mitte hecheln den Rechten in Fragen der Migration hinterher und machen deren Positionen salonfähig.
Es ist das Kerndilemma der Demokratie: Sie öffnet denjenigen, die sie zerstören wollen, Tür und Tor. Eine pluralistische, offene und demokratische Gesellschaft muss auch ihren Gegnern Meinungsfreiheit zugestehen, wenn sie sich selbst treu bleiben und ihre Prinzipien nicht verraten will. Dazu kommt: Es herrscht viel Wut im Land. Und das, obwohl Deutschland im internationalen Vergleich noch immer hervorragend dasteht. Von dieser Wut leben rechte Verführer. Sie schüren sie mit Lügen, Halbwahrheiten, Desinformation.
Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel USA, wo mit Donald Trump ein ultranationalistischer verurteilter Straftäter erneut das Präsidentenamt übernehmen kann – gewählt von einer satten Mehrheit, unterstützt von einer ultrareichen Oligarchenclique, politisch flankiert von republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses.
Es ist dringend notwendig, dass die politische Bildung einen größeren Stellenwert in Deutschland bekommt, um US-amerikanische Verhältnisse zu verhindern. Eine Demokratie braucht nicht nur die Wachsamen, die für sie eintreten, sie braucht auch mündige Bürgerinnen und Bürger, die Wahlentscheidungen nicht aufgrund von Wut, sondern mit Verstand treffen.