An Rhein und Ruhr. Kulturstaatsministerin Claudia Roth will die deutsche Gaming-Industrie fördern. Von Firmen und einem NRW-Minister kommt auch Kritik an dem Plan.
Keine großen Freudensprünge, dafür deutliche Kritik – die Reaktionen auf ein angekündigtes Förderprogramm des Bundes für Spieleentwickler fallen wohl anders aus, als es sich die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erhofft hatte. Mit insgesamt 8 Millionen Euro sollen Stipendien für die Branche finanziert werden. Roth erhofft sich damit, die deutschen Spieleentwickler im internationalen Wettbewerb zu stärken. Die Zuwendungen seien jedoch zu gering, um einen größeren Effekt zu haben und das Programm komme sehr kurzfristig, klagt ein Spieleentwickler aus NRW. Immerhin läuft die am Montag gestartete Bewerbungsphase nur bis zum 17. November. Doch es gibt auch lobende Stimmen, die jede Form von Unterstützung begrüßen.
Spielentwickler aus NRW kritisiert Roth-Förderung für Gamingbranche
NRW ist eine Hochburg der deutschen Spieleentwickler-Branche. Vor allem in Düsseldorf und Köln haben diverse Unternehmen ihren Sitz – auch größere Firmen wie Electronic Arts oder Ubisoft Blue Byte. In Köln findet zudem jedes Jahr die Spielemesse „Gamescom“ statt. Die angekündigte Förderung sei jedoch nur „ein Pflaster auf einen politischen Beinbruch“, beklagt Thomas Friedmann, Geschäftsführer des Spieleentwicklerstudios Funatics aus Schermbeck. Zwar sei die Maßnahme sinnvoll, allerdings werde ein größeres Förderprogramm seit mehr als einem Jahr nicht umgesetzt.
Rund 8 Millionen Euro stecken in dem von Claudia Roth vergangene Woche angekündigten Programm „Press Start: Gründungsstipendium Games“. Für bis zu 130 Gründer sollen Stipendien finanziert werden. Diese betragen gut 2750 Euro pro Monat und laufen 18 Monate – in dieser Zeit sollen die Entwickler ihrer Kreativität freien Lauf lassen und nicht von finanziellen Zwängen gebremst werden.
Friedmann kritisiert, dass derweil die im Haushalt vorgesehene größere Bundesförderung von insgesamt 30 Millionen Euro nicht ausgezahlt werde. Auch die Kurzfristigkeit des Programms zeige, dass es „nichts anderes als ein Last-Minute-Mini-Kompromiss ist“, sagt er.
Kein Geld mehr vom Wirtschaftsministerium
Vom Bund gibt es seit 2020 Fördergelder für die Spielebranche. Das Budget reicht jedoch nicht, um die Nachfrage zu decken. Seit Mai 2023 nimmt das Bundeswirtschaftsministerium keine neuen Anträge mehr an, nur Zahlungen für ältere Anträge gehen raus, die schrittweise über die Jahre erfolgen. 2024 sind es 50 Millionen Euro. Das nun bereitgestellte Geld kommt aus dem Etat der Kulturstaatsministerin. Im aktuellen Haushalt stehen Claudia Roths Ressort rund 33 Millionen Euro zur Spieleförderung zur Verfügung. Ebenso in den Jahren 2025 und 2026.
Thomas Friedmann schätzt den Effekt des Programms indes gering ein. „Das Problem sind nicht Neugründungen, sondern eine langfristige Planbarkeit und Konkurrenzfähigkeit der Studios mit anderen Ländern.“ Anderswo gebe es seit langem eine bessere Förderung, wodurch die Produktionskosten geringer seien. Hohe Kosten, wie in Deutschland, seien auf einem internationalen Markt ein Problem, so Friedmann. Dabei reichen die Kosten von 100.000 bis 300.000 Euro für kleinere Indie-Spiele bis hin zu weit über 100 Millionen Euro für aufwändigere Produktionen.
Wie ein Videospiel entsteht
Thomas Friedmann, Geschäftsführer vom Spieleentwickler „Funatics“ aus Schermbeck, erklärt, wie ein Computerspiel entsteht: „Zunächst wird das Konzept entwickelt.“ Danach folge eine Vorproduktion, bei der ein kleines Team erste spielbare Prototypen entwickelt. „Das Ziel ist es, früh zu beweisen, dass das Spiel Spaß macht und Erfolgsaussichten hat.“
Danach folge die eigentliche Produktionsphase. Die Logik des Spiels werde programmiert, Grafiken und Animationen und die Vertonung erstellt. „Level-Designer konstruieren die Spielwelten und Game Designer begleiten den ganzen Prozess wie ein Architekt den Hausbau.“ Anschließend teste ein Qualitätssicherungsteam das Spiel auf Fehler und Mängel. Am Ende erfolge die Veröffentlichung und Vermarktung. Je nach Größe des Spiels könne die Entwicklung zwischen ein und drei Jahren dauern. „Ein Entwicklungsteam hat zwischen fünf und mehreren Hundert Mitgliedern.“
Die „alte“ Bundesförderung habe diesen Nachteil zeitweise verringert, was zu Neugründungen und dem Aufbau vieler Arbeitsplätze geführt habe, erklärt Friedmann. Mit dem Stopp der Auszahlung seien Projekte beendet, Leute entlassen und Firmen geschlossen worden. Er fordert eine „zuverlässige, über Jahre planbare und international vergleichbare“ Förderung, damit die Spieleentwicklung wieder international konkurrenzfähig wird.
NRW-Minister zweifelt an Bundesprogramm
Ebenso kritisch äußert sich Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, in dessen Zuständigkeit auch der Bereich der Medien fällt: Die Bundesregierung verpasse es, die Förderung grundsätzlich anzugehen. „Die Ampel verliert sich erneut im Kleinen, anstatt große und nachhaltige Effekte zu erzielen. Es ist unerklärlich, warum seit mehr als anderthalb Jahren ein Antragsstopp für die Gamesförderung besteht und nun ein neues Programm aus dem Boden gestampft wird, dessen wirtschaftliche Effekte kaum spürbar sein werden.“
Zwar könne es sein, dass durch das Programm erste Ideen entstehen, aus denen zu einem späteren Zeitpunkt Spiele werden. „Ein wirtschaftlich nachhaltiger Effekt ist aber nicht zu erwarten“, zweifelt Liminski. Dagegen stelle das Land NRW jährlich mehr als 5 Millionen Euro für die Branche zur Verfügung. Mit 3,5 Millionen Euro fördere man über die Film- und Medienstiftung NRW Konzepte, Prototypen und die Entwicklung von Videospielen.
Lob aus Düsseldorf für das Förderprogramm
Positiver ist die Reaktion bei „Ubisoft Blue Byte“. Gegründet wurde das Unternehmen in Mülheim an der Ruhr und wurde durch die Spielreihe „Die Siedler“ erfolgreich. 2001 übernahm der französische Branchenriese „Ubisoft“ das Unternehmen und verlegte den Sitz nach Düsseldorf. Managing Director Benedikt Grindel sieht das Programm als Möglichkeit für Gründer, erste Schritte in die Selbstständigkeit zu gehen. Er hofft auf mehr Neugründungen in der Branche.
„Uns als etabliertes Unternehmen spricht diese Förderung nicht an“, ergänzt Grindel. „Wir benötigen eine verlässliche Produktionsförderung. Das fehlt der Gamesbranche aktuell, da es seit eineinhalb Jahren Stillstand gibt und es derzeit nicht möglich ist, neue Projekte einzureichen. Im Vergleich mit anderen Ländern – auch innerhalb Europas – lässt uns das nach einem guten Start leider wieder weit zurückfallen.“
Standort Deutschland soll attraktiver werden
Auch Arne Gels, Mitgründer der Agentur „Fusion Campus“ aus Düsseldorf, begrüßt das Förderprogramm: Jede Unterstützung, die den Games-Standort Deutschland stärkt, sei sinnvoll. Es brauche „innovative und kreative Unternehmen und das Programm kann ein entscheidender Anreiz sein, dass Talente diesen Schritt in die Games-Branche wagen.“
Die Düsseldorfer Agentur vernetzt Kunden mit Firmen aus der Gaming-Branche und unterstützt die Entwickler dabei mit eigenen Erfahrungen. Arne Gels hofft auch darauf, dass mit einer Förderung der heimische Game-Standort im internationalen Wettbewerb attraktiver wird. „So können Talente gehalten werden, die eventuell anderswo bessere Chancen wähnen.“ (mit dpa)