An Rhein und Ruhr. Es gibt viele Bürgerbegehren und -entscheide. Welche Bürgerbeteiligungen am Niederrhein und im Ruhrgebiet die Politik beeinflussten.

Seit 30 Jahren können Bürger in NRW über Begehren und Entscheide die Lokalpolitik beeinflussen und in ihren Kommunen und Kreisen mitbestimmen. Rund 1000 solcher Verfahren wurden seit 1994 initiiert. In manchen Fällen geht es um vergleichsweise kleinere Themen, wie den Neubau eines Schulgebäudes. Andere Fälle haben größere Auswirkungen über Stadtgrenzen hinweg. Das sind einige der bekanntesten Bürgerbegehren und -entscheide aus der Region.

Bürger entscheiden über neuen Nationalpark in NRW

Der Reichswald im Kreis Kleve beschäftigt die Kreispolitik nun schon seit mehreren Monaten. Von der Landesregierung als mögliches Gebiet für einen neuen Nationalpark in NRW ausgewiesen, lehnte der Klever Kreistag es im April dieses Jahres ab, eine entsprechende Bewerbung zu schreiben. Sehr zum Missfallen einiger Einwohner, die daraufhin ein Bürgerbegehren starteten und Ende Juli eine Liste mit rund 15.500 Unterschriften vorlegen konnten. Benötigt wurden rund 10.600.

Somit wurde der Kreistag zu einer erneuten Abstimmung gezwungen, die jedoch wieder gegen die Bewerbung für einen Nationalpark ausfiel. Somit kommt es zu einem Bürgerentscheid. Bis zum 11. Dezember haben die Einwohner des Kreis Kleve Zeit, aussschließlich per Briefwahl abzustimmen. Die Unterlagen werden vom Kreis postalisch zugesandt. Erfolgreich ist der Entscheid, wenn es mehr „Ja“- als „Nein“-Stimmen gibt und wenn mindestens 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten mit „Ja“ gestimmt haben.

Bald ein Nationalpark? Der Reichswald im Kreis Kleve.
Bald ein Nationalpark? Der Reichswald im Kreis Kleve. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey www.luftbild-blossey.de

Bei vergangenen Wahlen waren nach Angaben des Kreises zuletzt rund 265.000 Personen wahlberechtigt. 15 Prozent davon wären somit rund 39.750 „Ja“-Stimmen. Bei einer erfolgreichen Abstimmung könnte der Reichswald neben der Eifel zum zweiten Nationalpark NRWs werden. Die endgültige Entscheidung trifft die Landesregierung.

Einsatz für Klimaschutz: Stadträte folgen Bürgerbegehren

Bürgerbegehren gab es in den vergangenen Jahren auch zum Thema Klimaschutz. So schafften es die Duisburger und Essener 2021 jeweils in zwei Verfahren, ihre Stadträte dazu zu bewegen, Ziele für Klimaneutralität zu beschließen. Essen will nun bis 2030 klimaneutral sein, Duisburg bis 2035. Selbiges Ziel verfolgt aktuell auch ein Bürgerbegehren in Neukirchen-Vluyn. Seit März 2023 läuft hier eine Unterschriftensammlung.

Erfolgreich stimmen die Essener Bürger auch 2020 beim „Radentscheid“ ab, als es darum ging, die Radinfrastruktur der Ruhrmetropole zu verbessern. Auch hier folgte der Stadtrat der Bürgerwillen. Und in Oberhausen verhinderte ein Bürgerentscheid 2018 ein großes Neubaugebiet. Das Baugebiet „Waldstraße III“ wurde von Kritikern vor allem wegen der Hochwassergefahr abgelehnt. Rund zwei Drittel der Bürger stimmten beim Entscheid dagegen, die Stadt musste die Planungen einstellen.

Bürgerbegehren müssen bürokratische Hürden nehmen

Doch wie funktionieren Bürgerbegehren und -entscheide? Mit den Verfahren können Bürger entweder gegen eine Entscheidung des Stadt- oder Gemeinderates vorgehen oder selber ein dort noch nicht behandeltes Thema auf die politische Tagesordnung setzen“, informiert der Verein „Mehr Demokratie NRW“. Auch die Räte selber können Abstimmungen auf den Weg bringen.

Den gesetzlichen Rahmen dafür bestimmt die Gemeindeordnung NRW. Demnach kann ein Bürgerbegehren von Bürgern beantragt oder von einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Gemeinderat beschlossen werden. Eingereicht werden muss das Begehren schriftlich mit einer Fragestellung und Begründung. Wie viele Unterschriften benötigt werden, richtet sich nach der Grüße der Gemeinde.

Bei bis zu 10.000 Einwohnern ist die Zustimmung von 10 Prozent der Bevölkerung nötig. Bei mehr als 500.000 Einwohnern reichen bereits 3 Prozent. Doch nicht alle Begehren sind zulässig. Über den Haushalt einer Kommune zum Beispiel kann auf diesem Wege nicht entschieden werden. Ob ein Verfahren zulässig ist, muss der Gemeinderat feststellen.

Der Bürgerentscheid

Entspricht der Rat einem erfolgreichen Begehren nicht, kommt es innerhalb von drei Monaten zum Bürgerentscheid. Dabei stimmen die Bürger per Briefwahl mit „Ja“ oder „Nein“. Für eine erfolgreiche Abstimmung braucht es neben einer Mehrheit auch eine Mindestzahl an Ja-Stimmen. In Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern sind das 20 Prozent der Stimmberechtigten. Bei bis zu 100.000 Einwohnern 15 Prozent und bei Großstädten zehn Prozent. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses

In den vergangenen 30 Jahren gab es in NRW über Begehren und Entscheide eine rege Beteiligung der Bürger an ihrer Lokalpolitik. 1421 Verfahren gab es laut der „Datenbank Bürgerbegehren“ der Bergischen Universität Wuppertal. Damit liegt das bevölkerungsreichste Land im Bundesvergleich an zweiter Stelle. Einsamer Spitzenreiter ist Bayern mit 4140 Verfahren. Dritter ist Baden-Württemberg mit 1286. Die wenigsten Verfahren gab es im Saarland (20) und in Bremen (13). Die Häufigkeit von Bürgerbegehren und -entscheiden steht und fällt allerdings auch mit der jeweiligen Städte- und Gemeindeordnung, über die die Bundesländer befinden.