Essen/Monheim. Reich dank niedriger Steuern und nun auf dem Weg in die Pleite – der Bund der Steuerzahler NRW fürchtet in Monheim neuen Schuldenrekord in NRW.
Oft beneidet, viel kritisiert: Mit einer niedrigen Gewerbesteuer lockte die Stadt Monheim Unternehmen an, wurde reich und leistete sich allerlei Luxus. Die Einwohner fahren kostenlos mit dem Bus, zahlen keine Kita-Gebühren, dürfen sich an Großprojekten und Kunstwerken erfreuen. Besonders bekannt ist der Geysir mitten in einem Kreisverkehr. Doch Haushalts-Experten warnen: Die Stadt schlittere in die Pleite. Der Grund sei eine schnell steigende Verschuldung von bis zu 2 Milliarden Euro in 2027 und sinkende Einnahmen. Der Bürgermeister widerspricht und sieht sein Schiff auf Kurs. Ist das der Anfang vom Ende der „Steueroase“ Monheim?
Haushalts-Experte warnt vor Pleite der Stadt Monheim
Helmut Fiebig sieht dunkle Wolken über der Stadtkasse seiner Heimatstadt Monheim aufziehen und warnt vor Überschuldung. Der ehemalige Stadtkämmerer von Meerbusch (2008 bis 2019) begründet dies mit aktuellen Zahlen aus dem Haushalt: Sinkende Steuereinnahmen, ein schwindendes Eigenkapital und immer mehr Kredite. „Bei der Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen sieht man, dass die Stadt bis 2027 ein deutliches Defizit erwirtschaftet. Der Bürgermeister meint aber, man habe genügend Rücklagen.“ Dabei seien diese keine echte Sicherheit.
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„Die Stadt hat einen buchmäßigen Bestand“, erklärt der Haushalts-Experte. „Aber während ein Hausbesitzer sein Haus verkaufen kann, gibt es für Kommunen keinen Markt für ihren Grundbesitz. Niemand kauft Straßen, Grünanlagen, Schulen oder Sportplätze.“ Dafür nehme die Stadt weiter Kredite auf, um damit Ausgaben und Zinsen zu zahlen.
Ex-Kämmerer sieht Schulden von bis zu 2 Milliarden Euro
Doch wie groß wird der Schuldenberg? Fiebig, der Lehrbücher über kommunale Finanzen schreibt, rechnet anhand öffentlich einsehbarer Unterlagen vor: Im Jahresabschluss 2023 sind bereits rund 312 Millionen Euro als Investitionskredite verzeichnet. Dazu kommt das, was Fiebig mit einem Dispokredit vergleicht: Weitere 60 Millionen Euro als „Kredite zur Liquiditätssicherung“. Zum Ende vergangenen Jahres beliefen sich Monheims Schulden demnach auf rund 372 Millionen Euro. Dazu rechnet der Ex-Kämmerer die im aktuellen Haushaltsplan jährlich vorgesehenen Investitions- und Dispokredite, womit bis Ende 2027 rund 1,3 Milliarden Euro Schulden zu Buche stehen.
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Dazu kämen Schulden von städtischen Gesellschaften von bis zu 700.000 Euro, wie Fiebig erklärt. „Somit haben wir rund 2 Milliarden Euro Schulden bis 2027, die verzinst und getilgt werden müssen“, resümiert er und vergleicht: „Die Stadt Köln jammert, dass sie bald 6 Milliarden Euro Schulden haben wird. Die haben aber über eine Million Einwohner. Monheim hat nur rund 43.000 Einwohner.“
Bund der Steuerzahler sieht „Großprojekte“ der Stadt als Grund für Schulden
Ein Umstand, der auch beim Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW die Alarmglocken schrillen lässt. Wenn die im Haushaltsplan vorgesehenen Schulden Realität werden, käme Monheim auf eine Pro-Kopf-Verschuldung von fast 47.000 Euro. „Das wäre der höchste Stand, den es je in einer Kommune in NRW gegeben hat“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende Eberhard Kanski.
Das Geld fließe in Großprojekte. Kanski wirft der Stadtspitze vor: „Die haben die Bodenhaftung verloren. Monheim baut eine Achtfach-Turnhalle. Vier Hallen nebeneinander, das gleiche eine Etage darüber mit auf- und abfahrbarer Tribüne. Das erlauben sich nicht mal reiche Städte wie Düsseldorf oder München.“ Ebenso kritisiert er die Veranstaltungshalle „Kulturraffinerie K714“: „Die soll Platz für 4500 Besucher bieten. Auch wenn eine Mittelstadt ein Kulturangebot haben soll, ist das zu viel.“
Bürgermeister Zimmermann verteidigt seine Finanzpolitik
Dazu kommt ein Einnahmenproblem: „Im Moment ist alles schön für die Monheimer, aber irgendwann endet das Schlaraffenland. Die Rezension sorgt für weniger Steuereinnahmen“, sagt Kanski. So musste die Stadt in einem Nachtrag zum aktuellen Haushalt die erwarteten Einnahmen aus der Gewerbesteuer von 260 Millionen Euro auf 171 Millionen Euro korrigieren.
Bürgermeister Daniel Zimmermann verteidigt seine Politik. 2009 wurde er mit 27 Jahren der jüngste NRW-Bürgermeister. Seine Partei „PETO“ regiert seit 2014 mit absoluter Mehrheit im Stadtrat. Er begründet die Mindereinnahmen mit „unternehmerischen Verlusten bei mehreren großen Gewerbesteuerzahlern“. „Diese Firmen werden in den nächsten Jahren keine Steuern zahlen“, sagt er auf Anfrage, ergänzt jedoch: „Hierbei handelt es sich um zeitlich begrenzte Effekte.“ In spätestens fünf Jahren werden wieder die zuletzt üblichen Summen gezahlt werden, ist er sicher.
Wer regiert in Monheim?
Daniel Zimmermann ist seit 2009 Bürgermeister von Monheim und wurde zweimal wiedergewählt. Mit damals 27 Jahren wurde er der jüngste Bürgermeister in NRW. Die von ihm mitgegründete ehemalige Schülerpartei PETO (latein für „ich fordere“) regiert seit 2014 mit absoluter Mehrheit im Stadtrat. Für 2025 kündigte er jedoch an, nicht mehr antreten zu wollen. „Den nach wie vor spürbaren Rückenwind“ wolle er nutzen, um einen Wechsel zu ermöglichen, der seine Politik fortführt, hatte Zimmermann auf der Website seiner Partei geschrieben. PETO schickt dafür den bisherigen stellvertretenden Bürgermeister Lucas Risse ins Rennen. Gegenkandidatin ist die parteilose Sonja Wienecke, die von CDU, SPD, Grünen und FDP unterstützt wird.
Anfang September wurde im Stadtrat für 2024 und 2025 ein Sparhaushalt verabschiedet. Auch die Bürger werde man wegen der sinkenden Einnahmen „wieder stärker in Anspruch nehmen müssen“, so Zimmermann. Die Grundsteuerund auch die Gebühren für verschiedene Leistungen werden steigen. „Gleichzeitig wird die Stadt an verschiedenen Stellen sparen. Dazu zählen eine Reduktion der Personalkosten, Kürzungen im Kulturprogramm und beim Busverkehr sowie viele Einsparmaßnahmen.“
CDU, SPD, Grüne und FDP unterstützen gemeinsame Bürgermeister-Kandidatin
Für Eberhard Kanski heißt das: „Das Leben in Monheim wird teurer. Schlimm wird es, wenn ein oder zwei größere Unternehmen abwandern.“ Denn so schnell sie sich nach der Senkung der Gewerbesteuer niedergelassen hatten, so schnell könnten sie auch wegziehen. „Dann wird Monheim wieder, was es vor 20 Jahren war: Das Armenhaus des Kreis Mettmann.“
Bürgermeister Zimmermann indes hatte bereits angekündigt bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr nicht wieder zu kandidieren. Seine Nachfolgerin will die parteilose Sonja Wienecke werden. Sie wird von CDU, SPD, Grünen und FDP unterstützt, die sich gegen PETO verbündet haben. Die aktuelle Haushaltspolitik ist ihr ein Dorn im Auge: Man werde sich die investiven Projekte anschauen müssen, da sie Folgekosten verursachen, erklärt sie. Die PETO-Mehrheit im Rat habe es abgelehnt, diese Kosten bei Projektplanungen zu berechnen. „Wenn man nicht weiß, wie hoch die Belastung der kommenden Jahre sein wird, passiert genau das, was jetzt passiert ist“, kritisiert sie.
Zukunft der Gewerbesteuer ist unklar
Man müsse künftig prüfen, was man sich noch leisten kann. Kunstwerke auf Kredit zu kaufen sei nicht in ihrem Sinne und bald ohnehin finanziell nicht mehr möglich. Bei den Leistungen für die Bürger werde man reduzieren, aber dabei auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt beachten müssen. „Es darf nicht sein, dass auf Kosten der Bürger gespart wird“, betont Wienecke. Doch ob das reicht, um Monheims Haushalt wieder auf Kurs zu bringen? Ob die Gewerbesteuer steigen muss, könne sie ohne Bestandsaufnahme nicht sagen.
Für Haushaltsexperte Helmut Fiebig steht Monheim vor tiefen Einschnitten. „Der Bürgermeister hinterlässt einen Scherbenhaufen. Es wird ans Eingemachte gehen und das werden die Bürger spüren. Die Enkel der heute in die Schule gehenden Kinder werden die Schulden noch bezahlen müssen.“